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Buchdoktor

Posted on 19.12.2021

Aus dem Hafenbecken wird in Kopenhagen bei eisigem Winterwetter eine zunächst kopflose Leiche gefischt. Die Ermittlungen leitet die in ihrer Vorgesetzten-Rolle noch unsicher wirkende Kirsten Vinther, die den frisch aus der Provinz versetzten Jesper erst in ihr Team integrieren muss. Als freie Mitarbeiterin kommt die Super-Recogniserin Marit Rauch Iversen hinzu. Marit verfügt über eine Begabung, die sich nicht erlernen, nur verbessern lässt, wenn jemand bereits die besondere Fähigkeit der Gesichtserkennung hat. Marit kann sich unabhängig von der Personensuche instinktiv auf das Wesentliche konzentrieren, eine Eigenschaft, die der Vielseitigkeit des Teams noch nützen wird. Als weitere Tote in Form von Schimären aus menschlichen und tierischen Körperteilen auftauchen, wird der Bezug der Taten zu grönländischen Traditionen und Legenden deutlich – und Marit, die keine Inuit ist, aber als Kind in Grönland aufwuchs, zeigt sich als unentbehrliche Expertin für die Sitten der Insel. Die Ermittler definieren die Taten schon früh als Werk mindestens eines penibel planenden und arbeitenden Täters. Während der Täter den Ermittlern persönlich in bedrohlicher Weise immer näher zu kommen scheint, müssen sie außer dem Motiv denjenigen ermitteln, der von den Taten profitiert, den Grönlandbezug durchleuchten und werden nicht zuletzt mit einer undichten Stelle im System konfrontiert, die Ermittlungsergebnisse in flottem Tempo in den Medien lanciert. Ein komplexer Fall, dessen zahlreiche Handlungsfäden am Ende sorgfältig zusammengeführt werden. Das Grönland-Thema hinter der eher unappetitlichen Platzierung von Leichenteilen hat mich hier fasziniert, auch wenn das Infodropping zu den Hintergründen der Tat zu umfangreich wirkte und die Spannung im 500-Seiten-Roman m. A. nach zu stark ausbremste. Das Team um Kirsten Vinther und Marit Rauch Iversen hat Serien-Potential und macht neugierig auf eine evtl. Fortsetzung. In einem Einzelband hätte ich allerdings Kirsten Vinther als Vorgesetzte zu unfertig, Jesper zu blass und einige andere Figuren zu klischeehaft gefunden. Männer sind in Vinthers und Iversens Welt offenbar kriminell, gewalttätig und überhaupt toxisch – oder schüchterne Landeier. Die Dialoge dagegen wirken auf mich sehr authentisch für das vielversprechende Team; den atmosphärischen, beschreibenden Passagen hätte sprachlich eine Verschlankung gutgetan.

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