marcello
Auf die Erscheinung von Mehwish Sohails erster NA-Reihe bei Lyx war ich persönlich sehr gespannt und nach einigem Verschieben des Veröffentlichungstermins war es nun endlich so weit. Für mich war der Reiz vor allem, dass die Hauptfiguren Pakistani sind und somit ein ganz anderes kulturelles Umfeld geboten wurde. Wenn man NA liest, dann lebt man als LeserIn damit, dass es eine gewisse inhaltliche Eintönigkeit gibt. Dementsprechend bietet Sohail mit diesem neuen inhaltlichen Korsett ganz neue Möglichkeiten und darauf war ich wirklich gespannt, das zu entdecken. Das Wichtigste für mich vorweg war definitiv die Erkenntnis, dass Sohail schreiben kann. Da es ihr Debüt ist, war es für mich keine Selbstverständlichkeit, dass ihr Schreibstil mir entgegenkommt, aber da musste ich mir wirklich keine Gedanken machen, da ich von vorne bis hinten mit den Worten eingefangen wurde und kein Stutzen empfunden habe. Insgesamt muss ich auch angesichts vieler Details an den richtigen Stellen unterstreichen, dass der gesamte Aufbau, das Durchdenken des Inhalts wirklich beeindruckend sind. Wenn Sohail schon mit dem Erstling so umzugehen weiß, dann sehe ich wirklich sehr positiv in die Zukunft von ihr. Damit dürfte an dieser Stelle wohl schon klar sein, dass ich bei der weiteren Reihe definitiv am Ball bleiben werde. Der kulturelle Aspekt ist ebenfalls überzeugend gelungen. Durch die diversen Zusammenkünfte, sei es durch Hochzeiten oder durch private Zusammentreffen, ist immer wieder die Gelegenheit geboten worden, sich mit den Pakistani vertraut zu machen. Mit ihrem Denken, mit ihrem Zusammenhalt, mit ihrem Verständnis von Familie, aber natürlich auch Identitätsfindung in einem fremden Land. Denn das ist ein zentrales Thema dieses Buchs. Arwa ist schon die zweite Generation, die Wurzeln in Österreich schlägt. Sie hat eine sehr helle Hautfarbe, weswegen für sie das Thema nicht ganz so entscheidend ist und dennoch war ihr ganzes Leben davon geprägt und das vor allem durch die Generation ihrer Eltern, die den Schritt von Pakistan nach Wien gewagt haben, die damit trotz neuer Hoffnung auch entwurzelt wurden und schwer zu kämpfen hatten. Aber auch in Tariqs Familie ist dies ein großes Thema, was dann automatisch auch Arwa und Tariq enger zusammengeschweißt hat, weil sie ein Verständnis hatten. Damit werden die kulturellen Aspekte also nicht durch eine rosarote Brille beleuchtet, sondern mit dem Realitätscheck. Und der familiäre Druck, nach den alten Traditionen zu leben, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dabei war aber stets auffallend, dass die Darstellung nicht von Klischees geprägt war, denn es gab immer zwei Seiten. Das ist vermutlich so einnehmend gelungen, weil Sohail von mittendrin stammt und weil sie gewiss kein Interesse daran hatte, ihre Kultur zu diffamieren, sondern sie darzulegen, wie sie tatsächlich ist. Von dort aus kann sich dann jede oder jeder Außenstehende selbst sein Bild machen. Was definitiv mehr von mir verlangt hat als Leserin, das war die Tatsache, dass in „Like Wate in Your Hands“ sehr viel mentale Gesundheit dargeboten wird. Das finde ich zunächst einmal respektabel, birgt aber natürlich auch gewisse Risiken, was sich in diesem konkreten Buch darin ausgedrückt hat, dass die Stimmung der Erzählung sehr melancholisch war. Es gab wirklich nur sehr, sehr wenige Szenen, in denen wirklich reines Glück zu spüren war. Über jedem kleinen Fitzel Unbeschwertheit lag immer auch eine Decke, die immer näherkam, so dass die Lockerheit immer genauso schnell verschwunden war, wie sie aufgekommen ist. Ich brauche bei NA keine Zuckerwattenstimmung, es darf gerne dorthin gehen, wo es wehtut und dennoch muss es eine gewisse Balance geben. Denn in NA wird immer noch eine Liebesgeschichte erzählt und da brauche ich dann manchmal auch die gewisse Stimmung, damit die Liebe auch wirklich bei mir ankommt. Insgesamt war mir das Buch also doch etwas zu melancholisch. Andererseits hätte ich es auch scharf kritisiert, wenn es am Ende eine Wunderheilung gegeben hätte, dementsprechend bin ich mit diesem Authentizitätsbemühen dann doch glücklicher. Zudem war es trotz der Stimmung so, dass ich Arwa so gut nachvollziehen konnte. Eine gewisse Hypersensibilität habe ich auch, deswegen war es oft so, als wären Arwas Gedanken auch meine, weil ich viele Situationen schon genau so empfunden habe und auch wenn es auf der einen Seite beängstigend war, die eigenen Gedanken so in den niedergeschriebenen Worten wiederzuerkennen, so war es auf der anderen Seite auch tröstlich. Bei Tariq ist es etwas schwieriger. Im ersten Teil schauen wir gar nicht hinter seinen Kopf und im zweiten Teil geht es zunächst nur um ihn und da war es schon ein herber Schlag, in seine dunklen Gedanken einzutauchen. Insgesamt fand ich auch, dass seine Gefühle sich mir nicht gänzlich erschlossen habe. Ich hatte immer das Gefühl, dass mir noch eine Ebene fehlt. Das ist für mich besonders deutlich geworden, da auch in Bezug auf seine Geschwister viele Andeutungen gemacht werden. Auch wenn jede und jeder ihr oder sein Päckchen zu tragen hat, so wirkte es zu geballt, als ob alle unbedingt in die Knie gerungen werden musste. Aber Tariqs persönliche Seite hat der Geschichte auch etwas sehr Erwachsenes mitgegeben. Es war hier nur nicht so natürlich für mich wie bei Arwa. Fazit: „Like Water in Your Hands” hat die Wartezeit definitiv genutzt, den für ein Debüt ist es wirklich sehr überzeugend geworden. Vor allem von handwerklichen her, bei dem auch deutlich wurde, dass die Autorin auch bereit ist, ihre eigene Wege zu gehen und keine klassische Liebesgeschichte zwingend erzählen muss. Das Eintauchen in eine fremde Kultur hat mich am meisten überzeugt. Aber auch die Darstellung von mentaler Gesundheit ist andächtig angegangen worden, gerade in Arwa habe ich mich auf erschreckende Weise wiedererkannt. Insgesamt war mir die Stimmung zu melancholisch, etwas mehr Unbedarftheit hier und dort wäre wirklich noch das gewesen, was eine sehr gute Lektüre zu einer perfekten gemacht hätte. Aber Hut ab!