mabuerele
„...Stechender, pulsierender Schmerz.Das ist die erste Wahrnehmung. Alles andere ist verworren und undeutlich wie in einem dichten Nebel...“ Noch ahnt Raol nicht, dass er einer der wenige ist, der die Schlacht bei Sarmada im Jahre 1119 überleben wird. Nach seiner Genesung geht er zu den Kreuzrittern. Mittlerweile sind 10 Jahre verstrichen. Der Autor hat erneut einen spannenden historischen Roman geschrieben. Die Geschichte führt mich nach Jerusalem. Das Buch zeichnet sich durch eine ausführliche Recherche aus. Spätestens nach dem umfangreichen Nachwort weiß ich, was historische Realität und was Fiktion ist. Der Schriftstil ist ausgereift. Er sorgt für eine fesselnde Handlung, lässt aber auch Raum für Gespräche. Gleichzeitig ermöglicht er eine Entwicklung der Protagonisten. Melisende, die älteste Tochter des Königs von Jerusalem, wurde zur Thronerbin erzogen. Der jungen Frau mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Nun wird ihr ein französischer Adliger als Bräutigam serviert. Den mag sie nicht. Einerseits ist er ihr zu alt, andererseits lässt er sie schnell spüren, dass ihn in erster Linie die Krone interessiert. Gegenüber dem Patriarchen spricht Melisende Klartext: „...Für uns Frauen gibt es nichts als Pflichten. Das wird uns seit der Kindheit eingebläut. Immer sollen wir tun, was erwartet wird, brav nicken, alles mitmachen, alles ertragen, was den Herren gerade einfällt. Aber wo tun sie selber ihre Pflicht? Sie huren und saufen und zetteln Kriege an...“ Im Heiligen Land ist seit einiger Zeit Frieden. Der hat auch dafür gesorgt, dass Jerusalem sich wieder zu einem Schmelztiegel der Völker entwickelt hat. Nicht zuletzt ist das der klugen Politik von Melisendes Vater zu verdanken. Doch jeder Friede ist brüchig. Die muslimischen Staaten bekämpfen sich nicht nur untereinander. Schnell können auch christliche Herrscher wieder das Ziel sein. Im Laufe der Handlung zeigen sich die Unterschiede. Der Emir von Schaizar nutzt die Gunst der Stunde, um mit Jerusalem einen Friedensvertrag zu schließen. Der Seldschuke Qilitsch allerdings hofft, in Damaskus mehr Macht zu erhalten und bei der Vergrößerung des Landes eine Rolle zu spielen. Noch aber versucht Melisende, ihrem Vater die Hochzeit auszureden. Als das nichts nutzt, begibt sie sich heimlich auf eine Reise nach Antiochia, wo ihre Nichte getauft wird. „...“Warum lacht ihr, Domina?“, fragt Maria. „Weil ich mich das erste Mal frei fühle, frei wie ein Vogel, der sich in die Lüfte schwingt. Ist das nicht wunderbar? Wir fahren nach Antiochia“...“ Dort aber sollte sie nie ankommen. Es beginnt einerseits das größte Abenteuer ihres Lebens, andererseits ein notwendiger Reifeprozess für sie. Raol de Montalban wird vom König geschickt, um sie heim zu holen. Auch für ihn bringt die Reise unerwartete Erfahrungen. Plötzlich steht der Mann vor ihm, der ihn vor 10 Jahren fast getötet hätte. Gleichzeitig erweist sich Melisende als junge anpassungsfähige Frau, die auch mit Widrigkeiten zurande kommt. Immer wieder gibt es interessante Einblicke in die Geschichte des Landes. Außerdem lerne ich das Leben der einfachen Bevölkerung kennen. Mit Melisende erlebe ich die Vielfalt der Vorgänge in einem Harem. Dabei höre ich ungewöhnliche Meinungen. „...Der Emir wünscht sich einen Sohn. Bisher hat Gott den Wunsch nicht erfüllt. Wer ihm den Sohn schenkt, ist keine Sklavin mehr, sondern wird Frau des Emirs….“ Ab und an blitzt ein feiner Humor auf. König Baudouin hat nicht nur mit Melisende Probleme. Auch Hodierna, die andere Tochter, hat ihren eigenen Kopf. „...Kopfschüttelnd betrachtet Baudouin die Trümmer seines Mahles und seufzt. „Vier Töchter. Ich sag`s ja immer. Schlimmer als Flöhe hüten.“...“ Eines wird allerdings deutlich. Der König mag seine Kinder. Es ist nicht einfach, zwischen deren Wünschen und politischen Notwendigkeiten zu lavieren. Dementsprechend gestalten sich die Ereignisse nach Melisendes Rückkehr. Es gilt für alle, Kompromisse zu finden. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist vielschichtig und erzählt eben nicht nnur das Leben einer jungen Frau.