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hapedah

Posted on 13.12.2021

Wie in jedem Jahr ist die alleinerziehende Erzählerin zu Weihnachten bei ihrem Cousin mit dessen scheinbar heiler Familie eingeladen, schließlich sollen ihre Kinder das Fest im trauten Kreis der Verwandten verbringen können. Auch die Familie eines befreundeten Bankers ist mir von der Partie, doch anstatt idyllischen Weihnachtsfriedens wird der Tag von heimlichem Konkurrenzkampf und verbalen Spitzen dominiert. Die Erzählerin beobachtet das Geschehen und denkt sich ihren Teil dazu..... "Bonobo Moussaka" von Adeline Dieudonné stellt eine Szene dar, die sich so ähnlich tausendfach in der Weihnachtszeit abspielt und in die sich sicherlich jeder Leser hinein versetzen kann. Dennoch konnte mich die Geschichte nicht so ganz überzeugen, die namenlose Erzählerin ist mir fremd geblieben. Die Schreibweise der Autorin kenne ich schon aus dem Roman "Das wirkliche Leben", auch dort hat sie das Stilmittel der namentlichen Anonymität für ihre Protagonistin verwendet, was für mich gut zur Handlung gepasst hatte. Bei "Bonobo Moussaka" hingegen fand ich ich die erzählende Hauptfigur austauschbar, möglicherweise lag das an ihrer Rolle als Beobachterin des eigentlichen Geschehens. Daher konnte ich auch die wunderbare sprachliche Gestaltung nicht in dem Maß würdigen, wie sie es verdient hätte, das Buch hat mich einfach nicht gepackt. Obwohl der Roman aus der Sicht der Protagonistin erzählt wird und ich beim Lesen ihre Gedanken und Gefühle direkt übermittelt bekam, habe ich mich emotional weit entfernt von ihr gefühlt. Die gedanklichen Abschweifungen in pubertäre Zeiten (die auch den zunächst seltsam erscheinenden Titel erklären) dienen sicherlich dazu, das Machtgefälle zwischen den anwesenden Personen zu verdeutlichen, für meinen Geschmack waren diese Gedankenreisen etwas zu viel des Guten. Wenn ich bedenke, dass dieser Text als Theaterstück geplant war, sehe ich zwar die spitzfindigen Szenen, die sich zwischen dem Cousin, seinem Freund und den Familien abspielen vor mir, allerdings wird ein großer Teil der Handlung von den Gedankengängen der Erzählerin dominiert, so dass ich mir die Umsetzung auf einer Bühne recht schwierig vorstelle. Insgesamt habe ich mich jetzt nicht wirklich schlecht unterhalten gefühlt, aber es ist auch kein Buch, das ich unbedingt weiterempfehlen muss. Fazit: Für mich ist "Bonobo Moussaka" eine Geschichte, die man lesen kann, aber nicht muss. Trotz des wunderbaren Schreibstils und der wortgewandten Darstellung konnte mich die Handlung nicht so recht fesseln, auch die Hauptfigur war meiner Meinung nach zu wenig greifbar.

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