Maya Rottenmeier
Mach dir die Dunkelheit vertraut und sie wird dein Freund. Dieses Buch trägt zwar das Wort Experiment im Namen, aber mir kommt das alles wie ein Spiel vor, und das liegt wohl an den entspannten Probanden. Juna und Levi, sie haben die gleiche Anzahl an Buchstaben in ihren Vornamen und beim Lesen wird mir klar, dass das nicht die einzige Gemeinsamkeit ist. Was in dieser Geschichte steckt: Juna und Levi werden 30 Fragen in vollkommener Dunkelheit gestellt. Sie sind sich so fremd, wie es Fremde eben sein können, und in den folgenden Seiten lerne ich einiges über sie und mit ihnen. Noch nie war das Setting in einer Geschichte so unwichtig und wichtig zugleich. Wie viel Licht, Informationen und Bilder in unserer Sprache stecken, wird mir immer klarer. Sobald ein Sinn wie das Augenlicht wegfällt, hören wir anders, fühlen anders und geben uns anders. Und das Wissen, dass uns unser Gegenüber ebenfalls nicht sehen kann, schwemmt einen Großteil der inneren Unsicherheit weg. Welche Bedeutung haben noch Gesten, ein abfälliges Winken, das Kopfschütteln? Hören wir, wenn eine Augenbraue hochgezogen wird? So inspirierend: Ich lese von Handflüstern und den Zwischentönen in all dem Unausgesprochenen. Juna und Levi erreichen sich auf einer Ebene, wie es für unbekannte Menschen in der kurzen Zeit unter normalen Umständen nicht möglich ist. Die Dunkelheit hüllt sie in einen Kokon, der die Oberflächlichkeit der Außenwelt aussperrt. Sie fühlen sich geschützt und es fällt ihnen leicht, den anderen so zu akzeptieren, wie er sich verhält. Der Schreibstil ist flüssig, sanft, offen und mitreißend. Die Geschichte wirft in mir die Frage auf, ob wir mit Augenlicht tatsächlich mehr sehen als ohne. Der Hauptteil des Buches erheitert mich, wärmt mein Herz und erweckt eine intensive Nähe zu Levi und Juna, wie ich es bei einer Geschichte mit so wenigen Seiten bisher noch nicht erlebt habe. Und dann erwischt es mich eiskalt, aber es ist weniger das, was ich gegen Ende erfahre, sondern die „alltägliche“ Reaktion darauf, die mir zeigt, wie oberflächlich wir Menschen sind. Und dann bin ich am Ende und ich möchte das Buch schütteln, um mehr Seiten zu finden, die ich noch lesen kann. Hoffentlich geht diese zutiefst berührende, entzückende und herzerwärmende Geschichte weiter. Ich bin noch nicht bereit, Levi und Juna loszulassen. Es ist zu früh für einen Abschied. Von mir erhält „Ein Experiment namens Liebe“ 5 bewegende Sterne von 5 und eine absolute und unbedingte Leseempfehlung.