phantastische_fluchten
Roman bleibt, trotz seiner neu entdeckten Fähigkeiten, weiterhin der liebenswerte und hilfsbereite junge Mann vom Land. Um zu lernen, wie man mit diesen Fähigkeiten umgeht, muss er die Stadt Dun Fion verlassen und sich auf dem Weg zu Chelandros Abtalin begeben, einem Einsiedler, der in einem Turm fernab der Zivilisation lebt und über den das Gerücht geht, das er einer der letzten »Alten« ist. Das bedeutet aber auch, seine neu gefundene Heimat und viele Freunde zu verlassen, unter anderem Nerva, die er von ganzem Herzen liebt. Die Geschichte um Roman ist nur ein Teil dieses wunderbaren Buches. Der Leser lernt die kleine Partha kennen, die bei einem Überfall der Kroms auf das Gestüt ihrer Eltern alles verliert. Sie wird von Bantor gerettet der sie dem Greifenreiter Pirlaf übergibt. Schweren Herzens bringt dieser das Mädchen in ein Waisenhaus. Die dortigen permanenten Schikanen und Demütigungen wecken in dem Kind eine ungeahnte Kraft und auch hier ist ein Eingreifen Clandros Abtalins notwendig um die Kräfte in die richtigen Bahnen zu lenken. Währenddessen begibt sich eine Delegation der freien Fürstentümer nach Asgarnath zu den Eroberern um eine diplomatische Lösung für den Konflikt zu finden, der die ganze Welt bedroht. Eine Weile reisen die alten Gefährten gemeinsam, bevor sich ihre Wege trennen. Doch der Feind ist auf den neuen Inrimi und auf Partha aufmerksam geworden und schickt ein Wesen auf ihre Fährte, dem niemand gewachsen scheint. Kommentar: Das Buch ist so vielschichtig, dass es mir kaum möglich ist, eine vernünftige, knappe und verständliche Inhaltsangabe zu schreiben ohne zu viel zu verraten. Es handelt sich um einen zweiten Band, die habe es ja meistens schwer aber ich bin hier ebenso begeistert wie von Inrimi. Die Figuren sind wieder sehr humorvoll, treffend und teilweise sehr skurril. Jan-Patrick Wiezorek ist ein wahrer Wortjongleur und seine Metaphern sind stets sehr bildhaft. Ich könnte das halbe Buch zitieren beginnend mit Seite 34. Dort wird deutlich, wie liebevoll der Autor seine Charaktere beschreibt: »Und die Augen. Grau und mit Glanz. Klein in den schiefen Dachschrägen ihrer Lider, flink und forschend. Darüber spendeten die buschigen Brauen dem dürren Bartwuchs Trost. « Natürlich ist der ruhmreiche Zwerg Galaptinin wieder mit dabei und auch Charles Baron zu Oven-Velorin betritt mit unnachahmlicher Eleganz und sprühendem Charme wieder die Bühne. In diesem zweiten Band der Trilogie schauen wir etwas mehr hinter die Fassade des Gecks und das hält einige Überraschungen bereit. Bantor bleibt einer meiner Lieblinge, eine einsame Gestalt, verloren in einer Welt, die nicht die seine ist. Und trotzdem ist er bereit, das Leben der Einwohner zu schützen. Hier hat der Autor sich wirklich selbst übertroffen und eine Szene hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Ich bin Jan immer noch böse wegen einiger Entscheidungen, die er gefällt hat aber das Leben ist nun einmal kein Ponyhof und lieber eine realistische Geschichte als eine unglaubwürdige. Da die Gefährten sich trennen, wechseln Erzählabschnitte sehr häufig aber man merkt als Leser, dass so langsam alle Fäden zusammen laufen. Roman und Partha treffen sich beim dem alten Einsiedler, der sie unterrichten soll und an dieser Aufgabe fast verzweifelt. Sehr amüsant sind hier die Passagen mit Gernoth, dem sprechendem Totenkopf und Ruben, dem Skelettdiener. An Ideenreichtum ist das kaum noch zu überbieten. Nach den Verhandlungen mit dem Norden begeben sich die Zwerge auf die Suche nach Roman und dabei läuft ihnen Charles über den Weg, der ebenfalls auf der Suche nach Roman ist. Eine sehr witzige Konstellation, wenn der »Herr des guten Geschmacks« auf die derbe Truppe trifft. Ich könnte jetzt zu jedem einzelnen Charakter noch etwas schreiben, wie es Carima ergeht, welche neuen Feinde die Bühne betreten und wer Freund oder Feind wird. Aber ich verzichte, denn meine Worte sind unzulänglich, ich lasse lieber einige Figuren zu Wort kommen: Seite 114, ein wunderschönes Zitat von Nerva: »Worte. Sie kommen so leicht daher. Sie fallen aus den Mündern wie welkes Laub. Sie fliegen aus den Mündern wie Federn im Wind. Sie klingen oft so schön, so….viele Worte….alle sind sie nur ein Spiel, alle nur ein selbstgefälliges Einerlei, bevor das Scheiden kommt. « Diese Szene und viele andere, berühren das Herz des Lesers, wecken Emotionen und lassen alles lebendig wirken. Ich finde es immer wieder unfassbar, dass solche Bücher als Selfpublishing erscheinen und so viel besser sind als viele Verlagsbücher, die einfach nur noch den Mainstream bedienen. Ich möchte meine Rezension mit einem weiteren Zitat beschließen, das zeigt, wie meisterhaft Jan-Patrick Wiezorek die deutsche Sprache beherrscht und wie sehr er Bilder lebendig wirken lassen kann. Seite 161: »Merkwürdig«, sagte der Sivu gedehnt, »immer, wenn mir die zweifelsfreie Sicherheit begegnet ist, war sie ein besonders schillernder Aspekt des Irrtums. « ( Und ja, ein Genitiv!) Meine Rezension ist rein subjektiv und keine Werbung. Fazit: Für mich gehören die beiden Bände Inrimi und Initius zu den absoluten Highlights des Jahres 2021. Wer noch eine spannende, unterhaltsame, witzige und überzeugende High Fantasy Saga als Weihnachtsgeschenk sucht: Hier ist sie! Aber bitte beginnt mit Band eins, sonst entgeht euch etwas