bibliomarie
„Wann immer sich mir die Gelegenheit bot, habe ich unbewusst den Weg eingeschlagen, der ins Ungewisse führte.“ Dieses Zitat der amerikanischen Journalistin Emily Hahn beschreibt ihr Lebensmotto. Eine selbstbewusste, Abenteuer liebende Frau, neugierig auf fremde Kulturen und Menschen ist. Das Shanghai der 30ger Jahre ist das Ziel einer Reise, die sie mit ihrer Schwester Helen unternimmt. Shanghai hatte zu dieser Zeit den Beinamen „Paris des Ostens“ trägt. Luxuriöse Einkaufsmeilen und Hotels locken die Reichen aus dem Westen an. Eine Landmarke ist das Cathay Hotel, in dem die beiden Damen die erste Zeit logieren und Emily mit dem Besitzer Victor Sassoon eine besondere Verbindung haben wird. Aber schon bald möchte Emily das wahre Shanghai kennenlernen und sucht sich eine Wohnung inmitten der Stadt. Sie hat inzwischen den chinesischen Verleger und Schriftsteller Zau Sinmay kennengelernt und sich in den verheirateten Mann verliebt. Als Helen in die Staaten zurückkehrt, bleibt Emily in Shanghai und beginnt ihre Reportagenreihe für das amerikanische Magazin „The New Yorker“. Sie wird eine Institution in der Stadt, immer mit ihren kleinen Gibbons unterwegs, sieht man sie auf den angesagten Festen. Ihre Affäre mit Zau Sinmay verleiht ihr einen verruchten Nimbus. Ihr Wunsch nach einem gemeinsamen Kind bleibt unerfüllt. Selbst als die Situation in Shanghai durch den Überfall der Japaner bedrohlich wird, harrt sie dort aus und steht der Familie Sinmays zur Seite. Die Romanbiografie der Schriftstellerin Luo Lingyuan hat mich mit dieser außergewöhnlichen Frau bekannt gemacht. Das wird von der Autorin sehr bildhaft in inszeniert. Obwohl ich anfangs nicht viel Sympathie für Emily Hahn entwickelt habe, fand ich diesen Roman eines Lebens spannend und mitreißend erzählt. Shanghai ist eine prächtige Kulisse und die Beschreibungen der Stadt sind großartig. Sehr informativ waren die Beschreibungen der unterschiedlichen Kulturen, die in der Stadt aufeinander prallen. Die Denkweise der Chinesen die sich komplett von den westlichen, meist amerikanischen Bewohnern unterscheiden und Emily als Grenzgängerin mittendrin. Eine farbige und lebhafte Schilderung, bei der ich viel über den chinesisch-japanischen Konflikt erfahren habe und den Beginn der chinesischen Revolution. Da hätte ich sogar gerne noch mehr erfahren. Ein fundiertes Nachwort hat mich angeregt mehr über Emily Hahn und ihre Zeit zu erfahren.