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Merle

Posted on 30.11.2021

Danke an NetGalley und den Hanser Verlag, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Meine Meinung ist davon unabhängig. So leid es mir tut, und so toll das Konzept klang: in der Umsetzung konnte Identitti mich überhaupt nicht überzeugen. Nivedita ist Studentin der Intercultural Studies/ Postkolonialen Theorie in Düsseldorf und als Identitti Bloggerin. Sie bloggt über „Identitätspolitik und Brüste“ (eigene Aussage). Ihr Vorbild ist ihre Dozentin für Post Colonial Studies, Saraswati. In ihr sieht Nivedita eine Verbündete. Doch dann der Skandal: Saraswati, die sich als Person of Color ausgibt, ist weiß. Sie hat ihr Aussehen verändert und ihre Hintergrundgeschichte verändert. Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem Thema Identität. Mein Problem war, dass ich irgendwann die Argumentationen überhaupt nicht mehr nachvollziehen konnte. Es war ein ewiges hin und her, ein sich im Kreis drehen. Und es wurden super viele Anspielungen an Personen und Texte gemacht, die mir nicht geläufig waren – dabei studiere ich (theoretisch*) den Bachelorstudiengang, den Nivedita abgeschlossen hat; müsste also voll im Thema sein. *Theoretisch, weil es den Studiengang „Gender Studies“ aus dem Buch nicht in Bochum an der RUB als Bachelor Studiengang gibt, sondern nur als Masterstudiengang, aber halt von der Fakultät, in der ich im Bachelor studiere. Ich habe viele Argumentationsstränge als viel zu komplex empfunden, als würde ein gewisses Wissen vorausgesetzt sein, dass ich nicht habe. Selten habe ich mich beim Lesen eines Buches so dumm gefühlt… Argumente wie, dass man transracial sein kann (parallel zu transgender), kannte ich schon aus dem Skandal um Rachel Dolezal (eine weiße Frau, die sich als PoC/Afroamerikanerin ausgegeben hat und in einem ähnlichen Bereich wie Saraswati auch an einer Uni gelehrt hat). Ich finde diese Argumentationen immer noch wirklich spannend, aber immer wenn so ein spannendes Argument aufkam, wurde die Situation irgendwie unterbrochen oder das Gespräch in eine mir nicht nachvollziehbare Richtung gelenkt. Die Handlung an sich fand ich auch schwer zu greifen. Es passiert irgendwie nichts, oder viel Belangloses. Viele sexuelle Fantasien und viele Unterhaltungen mit der Göttin Kali sollen wahrscheinlich die Stimmung des Buches aufhellen, aber mich hat es einfach genervt, und meiner Meinung nach hat es auch 0 ins Buch gepasst. Auch das Denglisch in dem Buch fand ich irgendwann zu viel. Aber vieles fand ich auch gut! Im Buch wurde gegendert, was ich anfangs ungewohnt zu lesen fand, aber später dann richtig toll. Außerdem gibt es viele Situationen, die Alltagsrassismus beschreiben, was viele Leser*innen sicherlich noch weiter auf die Problematik sensibilisieren wird. Wirklich herausragend fand ich die Tweets und Zeitungsartikel zwischendurch. Es sind Reaktions-Tweets bzw. -Artikel von Personen, die auf Saraswatis „Outing“ als weiße Person erfolgen. Diese Artikel/Tweets waren „echt“ in dem Sinne, dass sie von „Spender*innen“ (Formulierung der Autorin) verfasst worden sind. Soll heißen: echte Journalist*innen haben da mitgearbeitet, und echte Personen haben Tweets verfasst, so als hätten sie da echt drauf reagiert. Dadurch sind diese Aussagen einfach super realistisch und man merkt einfach, dass hier andere Personen mitgearbeitet haben, weil die Texte auch unterschiedlich klingen. Generell hat die Autorin sehr viel in die Recherche investiert; sie hat ja sonst Sachbücher geschrieben und das kommt zwischendurch immer mal wieder durch. Trotzdem hat mein Frust überwogen, weil ich den Argumenten inhaltlich einfach nicht mehr folgen konnte. Ich glaube, ein Sachbuch zu dem Thema von der Autorin hätte mir besser gefallen. Fokus auf die Argumentation, keine Unterbrechung durch Sex-Szenen, Unterhaltungen mit Göttern oder Nebencharakteren, weniger Denglisch. So musste ich das Buch leider bei 64% (ca. Seite 270) abbrechen und gebe 2 Sterne (für die Idee und die ausführliche Recherche).

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