kingofmusic
Wer will schon so einen Sohn? Mit „Ein Sohn der Stadt“ habe ich (leider) erst meinen zweiten Roman von Kent Haruf gelesen. Leider deshalb, weil ich von Haruf´s Schreibkunst, mit wenigen, schlichten Worten unter die Haut gehende Stimmungen heraufzubeschwören, schlichtweg begeistert bin. „Kostbare Tage“ war ein Highlight für mich im letzten Jahr. Nun also „Ein Sohn der Stadt“; der wohl zweite Roman der im fiktiven Ort Holt spielenden Romane des 2014 verstorbenen Schriftstellers; erschienen 2021 im Diogenes Verlag in der Übersetzung von pociao und Roberto de Hollanda. Nach acht Jahren taucht Jack Burdette (einst ein gefeierter Footballstar) in seiner Heimatstadt Holt auf, was die Bürgerinnen und Bürger in wahre Aufruhr versetzt. Warum das so ist, erfahren die Leserinnen und Leser aus der Sicht von Pat, dem „Stadtchronisten“ sowie einstigem und – ja, man muss es so sagen – einzigem Freund von Jack. Anhand von Rückblenden in Jack´s und Pat´s Kindheit, Jugend und Studienzeit und den Ereignissen der jüngeren Vergangenheit, nähert sich die Erzählung immer mehr dem dramatischen Höhepunkt entgegen. Und genau dieser Höhepunkt lässt mich unbefriedigt zurück. Hier hat es sich Kent Haruf meiner Meinung nach zu „einfach“ gemacht. Oder ist das Ende unter der Prämisse geschrieben worden, die Fantasie der Leserinnen und Leser anzufachen und sich zu fragen „Was wäre wenn…?“ Unter diesen Gesichtspunkten ist es dann natürlich wieder ein schlüssiges Ende, doch irgendwie kann es mich trotzdem nicht restlos überzeugen. Man verstehe mich bitte nicht falsch: Herr Haruf kann bzw. konnte schreiben und (wie oben schon angedeutet) mit wenigen schlichten Worten Stimmungen heraufbeschwören, die mich auch in „Ein Sohn der Stadt“ völlig geflasht haben. Auch zeigt er wunderbar auf, dass in konservativ geprägten Landstrichen (nicht nur bezogen auf die USA, sondern durchaus global gesehen) die Bevölkerung nicht so schnell vergisst, wenn ihnen jemand etwas angetan oder weggenommen hat. Aber auch die Gemeinheiten einer eingeschworenen Gemeinschaft gegenüber ortsfremden Personen nimmt Herr Haruf auf´s Korn. Und trotzdem nehme ich ihm das Ende übel. Wenn mich selbiges mehr überzeugt hätte, würde ich wohl auch für „Ein Sohn der Stadt“ die Höchstnote zücken. So werden es (sehr gute) 4* und eine klare Leseempfehlung. ©kingofmusic