bibliomarie
Schlechtes Gewissen, Mitleid – es nicht ganz klar, wieso Kathrin die Weihnachtseinladung von Klaus annimmt. Sie waren befreundet, hatten Kinder im gleichen Alter und damals viel gemeinsam unternommen. Aber seit Almut vor vier Jahren verstarb, haben sie keinen Kontakt mehr gepflegt. Es war mehr eine Freundschaft zwischen Kathrin und Almut, die die Paare verband. Nun eben keine stillen Weihnachtstage ohne die erwachsenen Kinder an der Nordsee. Statt dessen ein kleines Kaff in Nordhessen in einem etwas heruntergekommenen Ferienhaus. Aber es sollte alles anders werden. Schon als die Tür geöffnet wird und Sharon, eine Blondine mit rosa Strähnen und Handtaschenhündchen im Arm dasteht, sind geschockt. Noch mehr, als sich Sharon als recht einfach gestrickte Person herausstellt. Für Kathrin ist es fast ein Sakrileg, dass ihre belesene, kluge Freundin Almut durch diese Frau ersetzt wurde. Wie immer versteht es die Autorin Alina Bronsky ihre Figuren mit wenigen Worten zu beschreiben und zu sezieren. Sie dringt schnell unter die Oberfläche und legt die Schwächen, Ängste und Vorurteile ihrer Protagonisten bloß. Dazu genügen ihr einige pointierte Dialoge und Beschreibungen. Bronsky ist eine Meisterin der hintergründigen Beobachtungen. Ich habe diese kurze Erzählung mit Vergnügen gelesen, sie hätte für mich auch noch bissiger sein können. Die Verlagsankündigung von schwarzem Humor hat die Geschichte nicht ganz erfüllt. Es war eine Weihnachtsgeschichte der anderen Art, so ganz ohne Lichterglanz, auch wenn Sharon in ihrer Dekorationswut keine Geschmackslosigkeit ausließ. Und zum Schluss sieht man alle Beteiligten in einem anderen Licht.