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thursdaynext

Posted on 25.11.2021

Stimmen, die sonst nicht gehört werden „Difficult Women“, so der korrekt übersetzte Originaltitel, enthält 21 Shortstories, die alle von Frauen handeln mit unterschiedlichsten Hintergründen, verbunden durch ihr Leiden. Es sind gutgeschriebene, einfühlsame, brutale, perverse Kurzgeschichten, die illustrieren, welches Leid die Protagonistinnen erdulden und überleben. Keine leichte Lektüre, schwer auszuhalten und unmöglich ohne Pausen zu lesen. In der Widmung schreibt die Autorin Roxane Gay: „Für schwierige Frauen, die gefeiert werden sollten, weil sie so sind wie sie sind.“ Gefeiert werden soll wohl der Überlebenswille der Frauen. Ich finde, auch jene, die sich in diesen Geschichten nicht wiederfinden, und ich hoffe sehr, dass es viele Millionen sind, sollten gefeiert werden. Jene Frauen, die nur das alltägliche Elend des Frauseins in einer immer noch nicht gerechten Welt erleben. Und auch Männer sollten gefeiert werden. Sicher, der Fokus liegt in diesem Buch auf den Frauen, jedoch immer in Kontext zu Männern. Zu den schlechten, brutalen, sadistischen macht- und sexgeilen Verkorksten und den liebevollen. Männer, die Frauen zerbrechen und zerstören, aber auch Männer, die Teil der Heilung sein können. Shortstories, sie sind nicht meine bevorzugte Art, Geschichten zu lesen, daher ist diese Besprechung sicher noch subjektiver als andere. Ich konnte mich, lucky me, in keiner dieser Geschichten wiederfinden, obwohl doch auch eine Frau. Könnte mir aber vorstellen, dass weniger glückliche Frauen, die Schlimmes erlebt haben, durch diese kurzen Erzählungen, die teils wie Blitzlichter vieler verschiedener Leben wirken, extrem getriggert werden können. Das Leid und das Elend, von denen Roxane Gay berichtet, sind schwer auszuhalten, selbst wenn Mensch damit nie direkt in Berührung kam. Es kostet Überwindung weiterzulesen und wäre „Schwierige Frauen“ kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich es trotz der hohen Qualität der Geschichten, denn Gay fängt ihre LeserInnen ein und versetzt sie in die jeweilige Geschichte, weggelegt. Man möchte das nicht erfahren. Zuviel Leid, Blut, Gewalt, Schmerz und andauernde psychische Verletzungen springen einem hier entgegen und lassen ein Kopfkino entstehen, aus dem Flucht als einziger Ausweg erscheint. Zu real sind selbst ihre mystischen Erzählungen, die mittels magischem Realismus eine dystopisch brutale Gesellschaft skizzieren. Das hohe Niveau ihrer Handwerkskunst zerrt ans Licht, was niemand wahrhaben möchte. John Lennons Song „Women is the n* of the world“ * ist hier noch extrem heftiger inszeniert als in seinem Text, denn Roxane Gay lässt in die absoluten Tiefen des Frauseins blicken. Lennon, so sehr ich ihn schätze, kratzte mit seinem Song nur seicht an der Oberfläche. Roxane Gay zeigt den gesamten Albtraum. Wer sich in „Schwierige Frauen“ nicht wiederfindet, darf sich glücklich schätzen. Wirklich glücklich. Nur leider ist das ein zwiespältiges Gefühl. Man fühlt sich nicht glücklich, man fühlt sich mitschuldig. Es ist aber auch mein Problem, das ich mit dieser Kurzgeschichtensammlung hatte, die das Elend der Frauen herausschreit und den LeserInnen in den Kopf hämmert. „Schwierige Frauen“ hinterlässt mich hilflos, wütend, entsetzt und traurig. Die Stärke dieser Frauen ist erkennbar, sie leben weiter, sie lieben manchmal sogar weiter, sie sind gebrochen, aber nicht gänzlich kaputt. Sie sind Heldinnen. Weibliche unspektakuläre Deadpools ( ja, ich mochte den Film, dass ich jetzt so weicheirig bin, sollte potentiellen LeserInnen deutlich zu denken geben), die zumeist unerkannt unter uns leben. Und hier kommt dann die priviliegierte Heterofrau, die ihr sicheres, kleines, unspektakuläres Leben lebt und nicht weiß, was sie mit diesen Erzählungen, die sie lieber nicht gelesen hätte, anfangen soll. Ich verbuche sie unter außergewöhnlicher Leserfahrung weit jenseits der Komfortzone. Sie sind zu gut, um erträglich zu sein. Sie sind die Stimme der Gequälten und versehrten Frauen dieser Welt, die niemand hören möchte. Wichtig, dass es sie jetzt gibt, aber empfehlen möchte ich sie nicht guten Gewissens. *Sorry, Leute, der Song ist alt. Er heißt so und es ist trotz der Verwendung des N- Wortes, das als Synonym verwendet wird und niemals von Lennon verwandt wurde, um jemanden zu verletzen, im Gegenteil, wer Lennons Songs kennt, weiß das und wer nicht kann das gerne ändern, es lohnt sich, schon um den Content in Kontext zu setzen.

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