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mabuerele

Posted on 24.11.2021

„...Okay, also, ich wünsche mir Großeltern, damit du nicht mehr traurig bist und wir mit ihnen Weihnachten feiern können...“ Dieser Wunsch des 5järigen Finn steht im Prolog des Buches. Finn konnte bisher zu Hause nie den Zauber der Weihnacht erleben. Seine Mutter scheut alles, was mit dem Fest zu tun hat, weil das alte Wunden aufreißt. Sie ist nach dem Tod der Eltern bei den Großeltern aufgewachsen. Als sie 12 Jahre alt ist, stirbt die Großmutter. Kurz vor Weihnachten erleidet der Großvater einen Schlaganfall und Thilda kommt ins Kinderheim. Seitdem hat sie die Erinnerungen an die Weihnachtserlebnisse mit den Großeltern tief in ihrem Inneren vergraben. Wie aber soll das ihr kleiner Junge verstehen? Thilda arbeitet als Altenpflegerin. Als sie mit Finn im Auto unterwegs ist, sieht sie am Straßenrand eine alte Dame. Sie weiß sofort, dass hier ihre Hilfe gefordert ist. Die Autorin hat eine berührende Weihnachtsgeschichte geschrieben. Es geht um die Macht der Erinnerung, aber auch um einen Neuanfang. Der Schriftstil passt zum Genre. Er lässt viel Raum für die Emotionen der Protagonisten. In manch leicht melancholischer Stimmung sorgt Finns Kindermund für Auflockerung. Der Junge nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt, was er denkt. Lillybeth, die alte Dame, verschweigt ihre Adresse. Wobei verschweigen hier nicht das richtige Wort ist. Sie weicht aus, wenn sie danach gefragt wird. Also nimmt Thilda sie kurzerhand mit. Finn ist begeistert. „...“Hallo“, begrüßt Finn sie. „Meine Mama hilft gern alten Omis und macht das richtig toll. Sie ist echt cool.“...“ Lillybeth erzählt von ihrem Enkel Nicolas, der bei ihr aufgewachsen ist. Am nächsten Tag holt er seine Großmutter ab, nachdem Thilda mit Lillybeth bei der Polizei angefragt hat, ob es eine Vermisstenanzeige gibt. Zwischen Thilda und ihm beginnt es zu knistern. Aber Nicolas ist verlobt. Thilda zwingt sich zur Zurückhaltung. Zu den sprachlichen und inhaltlichen Höhepunkten der Geschichte gehören die tiefgehende Gespräche, die sehr gut ausgearbeitet wurden. Einmal geht es um Erinnerungen. Nicolas legt Thilda seinen Standpunkt dar. „...Erinnerungen sind etwas Wunderbares, auch wenn sie schmerzhaft sind. Ich verstehe dich, glaube mir, aber gerade weil sie nicht mehr bei uns sind, müssen wir diese Erinnerungen bewahren...“ Das Thema gewinnt zusätzlich an Brisanz, weil Lillybeth an einer leichten Form von Demenz leidet. Auch hier gilt es, bekannte Dinge immer wieder in Erinnerung zu rufen. Man spürt in jeder Zeile, dass sich die Autorin mit der Thematik auskennt. Gut tut Lillybeth insbesondere das Zusammensein mit Finn. Er nimmt sie ohne Einschränkungen an und freut sich, wenn sie etwas mit ihm unternimmt, zum Beispiel Plätzchen bäckt. Hinzu kommt, dass Lillybeth mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter nicht warm wird. Nach und nach bekommt auch die Mauer, die Thilda in ihrem Inneren errichtet hat, Risse. Zuviel an Lillybeth gleicht dem Verhalten ihrer Großmutter. Die Geschichte wird sehr gefühlvoll, aber auch behutsam erzählt. Genau das macht sie glaubwürdig oder auch märchenhaft, wie man es sehen will. Es geht Schritt für Schritt auf den Weg zu einem Neuanfang. Verletzungen bleiben unterwegs nicht aus. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist eine schöne Geschichte für die Adventszeit.

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