sassenach123
Douglas Stewart gewann im letzten Jahr mit Shuggie Bain den renommierten Booker Prize. Die Erwartungen der Leser fallen daher hoch aus, in meinem Fall kann ich sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde. Im Gegenteil, der Roman bewegt, ist angenehm zu lesen, und klingt nach. Ein gerechtfertigter Sieg. Shuggie wächst im Glasgow der 80er auf. Seine Mutter Agnes ist mit ihrem zweiten Mann Shug, der Vater von Shuggie, und den beiden älteren Geschwistern aus der ersten Ehe, wieder bei ihren Eltern eingezogen. Es sind beengte Verhältnisse, kaum jemand hatte zu dieser Zeit in solchen Vierteln eine lohnende Tätigkeit. Alkohol floss in Mengen, auch Agnes greift regelmäßig zur Flasche. Shuggie ist ein Junge, der sehr feminin wirkt, er ist sehr sensibel und liebt seine Mutter abgöttisch. Agnes lässt Shuggie für sich tanzen, zieht ihn hübsch an, es wirkt beinahe so, als ob er sie bei Laune halten muss, wenn sie wieder einmal wütend oder traurig ist, weil ihr Mann Shug zu lange Taxi fährt, oder sich mit einer Geliebten vergnügt. Agnes hat hohe Ansprüche an sich, sie will immer makellos aussehen. Sie legt viel Wert darauf, sich gepflegt auszudrücken, mag hübsche Dinge, die einfach aus dem Katalog bestellt und abbezahlt werden. Doch glücklich macht sie nichts davon, der Alkohol hilft dabei zu vergessen. Die Aussichtslosigkeit ihren Mann Shug nur an sich zu binden, wird durch ihre Alkoholsucht nur verstärkt. Als Agnes eines Tages ein Zimmer in Brand steckt und dabei auch den kleinen Shuggie gefährdet, reicht es Shug, und zieht mit ihr in eine Siedlung namens Pithead. Die Zeche dort wurde vor ein paar Jahren geschlossen, die Männer haben fast alle keine Arbeit, es ist heruntergekommen, und das schlimmste....Shug setzt Agnes dort allein ab mit den Kindern, er trennt sich von ihr. Nun fehlt ihr nicht nur der Ehemann, sondern auch die Hilfe und Unterstützung durch die Eltern. Ab hier bewegt sich das Buch durch ein auf und ab an Gefühlen. Höhen lösen Tiefen ab. Shuggie steht immer im Mittelpunkt des ganzen. Seine ältere Schwester verlässt das Heim recht schnell um zu heiraten, geht nach Afrika, ist ab sofort keine Stütze mehr für Shuggie und seinen älteren Bruder Leek. Stewart lässt den Albtraum, den Kinder alkoholkranker Eltern erleben, Wahrheit werden. Da seine Handlung an seine eigenen Erlebnisse angelehnt sind, wirkt dies sehr authentisch, und macht es um so tragischer. Er schildert wie vor allem Shuggie, der Jüngste, sich nicht abgrenzen kann, und immer wieder hofft, seine Mutter es diesmal schafft trocken zu bleiben. Leek, zog sich schon früh in seine Welt zurück, lernte vor Shuggie bereits die Vorboten eines Aussetzers kennen, und sorgt sich obendrein um den kleinen Bruder. Stewart macht deutlich, dass es nicht leicht war mit einer kranken Mutter zu leben. Er zeigt aber auch auf, dass es für Agnes ebenso schwer war. Überall in ihrem Umfeld wird getrunken, Rücksicht auf sie nimmt niemand, sie wird eher noch ermutigt weiter zu trinken. Ein schrecklicher Teufelskreis, denn man nicht leicht durchbrechen kann. Shuggie hat es zusätzlich schwer, da seine Andersartigkeit aneckt. Er hat keine Freunde, und gerade die wären doch so wichtig. Der Roman hatte mich von Anfang an in seinen Bann ziehen können, und dies zog sich bis zum Ende konstant durch. Shuggie Bain ist ein Highlight gewesen für mich und ich möchte es jedem wärmstens ans Herz legen.