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sassenach123

Posted on 10.11.2021

Wie ist es lebenslang im Gefängnis zu sein? Darüber bekommt der Leser einen fundierten Einblick,wenn er sich dem Werk von Kathy Page widmet. Simon Austen sitzt zu Beginn des Buches bereits 8 Jahre ein, und dümpelt vor sich hin. Er fristet sein Dasein in seiner Zelle vor sich hin. Zur Abwechslung beginnt er Brieffreundschaften mit Frauen, die ihm ins Gefängnis schreiben. Unter den Insassen gibt es immer mal wieder Stress, doch Simon kann sich recht gut anpassen. Er durchschaut vieles und kann sich so oft bei den einschlägigen Typen aus der Schusslinie bringen. Sein begonnener Bildungsweg im Gefängnis wird jäh unterbrochen, fast so, als ob es nicht gewünscht ist, dass Häftlinge einen akademischen Grad erwerben, auch wenn sie, wie in Simons Fall, das Zeug dazu hätten. Seine Kindheit ist geprägt von Enttäuschungen, die eigene Mutter will ihn nicht, viele verschiedene Stopps wie Pflegefamilie und Heime tun ihr Übriges. Zum Zeitpunkt des Mordes hat Simon Arbeit, nichts deutet darauf hin, dass er zu einer tickenden Zeitbombe werden kann. Sein Anwalt ist nicht kompetent, rät ihm die falschen Dinge. Simon vertraut sich niemandem an, so erkennt lange Zeit niemand, dass er durch eine fundierte Therapie seine Impulse unter Kontrolle bekommen könnte. Erst als Bernadette Nightingale ihn vertretungsweise betreut, entdeckt sie, dass Simon durch eine Therapie in einer anderen Einrichtung geholfen werden könnte und leitet die dementsprechenden Schritte ein. Simon kommt so nach Wendham, wo er einige Privilegien genießen kann die er im Strafvollzug nicht hatte. Des Weiteren wird beschrieben wie ein hochintelligenter Mensch durch das System gereicht wird. Viele Missstände werden aufgedeckt, der Leser merkt, dass es tatsächlich kein Zucker schlecken ist, wenn man im Gefängnis sitzt. Auch die Therapie verlangt viel von den Insassen, man muss sich öffnen und mitmachen. Mir gefiel, dass ich während des Lesens oft geneigt war Mitleid mit Simon zu haben, dabei hat er einen Menschen getötet. Entschuldigt seine eigene verkorkste Vergangenheit dies? Nein, und Simon weiß das auch, doch es ist ein langer Weg, den er gehen muss um sich selbst mit der Tat auseinanderzusetzen. Er kann lange nicht einmal über die Vorkommnisse sprechen, geschweige denn das Verhalten reflektieren. Simon Austen verbringt viele Jahre in Haft und in Therapie. Jahre in denen die Gesellschaft draußen ihr Leben lebt, auch die Angehörigen seines Opfers. Die Autorin prangert einiges an, und das auch zurecht. Sie macht aber auch deutlich, dass es Menschen gibt, die wohl niemals ausreichend therapiert werden können, um wieder ein Mitglied der Gesellschaft werden zu können. Simon ist ein fiktiver Charakter, dennoch hat die Autorin während ihrer Arbeit in einem Männergefängnis vieles erlebt, was sicherlich in Alphabet Anwendung gefunden hat. Ein meisterhaftes und wichtiges Werk, dass mich zum nachdenken angeregt hat. Ich möchte diesen Roman wärmsten empfehlen!

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