sassenach123
Ein sehr geistreiches und wichtiges Werk 1989, ein kleines Städtchen namens Dunkelblum, dient als fiktive Vorlage um über das Massaker in Rechnitz zu berichten, dass während des Naziregimes 1945 an jüdischen Zwangsarbeitern verübt wurde. Eva Menasse zeigt anhand des Verhaltens der Bewohner wie leicht es ist, solche dunklen Taten zu vergessen, sie soweit zu verdrängen, als ob nichts geschehen wäre. Das Werk bietet dem Leser eine enorme Anzahl an Personen, die ebenso vielen kleinen Geschichten aufwarten. Geschichten, die erst nach und nach zusammenfließen und ihre Wichtigkeit enthüllen. Gerade zu Beginn der Lektüre beschleicht einen direkt das Gefühl, dass jeder im Dorf etwas zu verheimlichen hat. Dadurch wird eine Atmosphäre aufgebaut, die sich nur schwer beschreiben lässt. Bei mir löste es zum einen aus, dass ich auf der Hut war, zum anderen traute ich erstmal keinem über den Weg. Als ich dann nach und nach alle Bewohner von Dunkelblum näher kannte, sie besser zuordnen konnte, passierte gleichzeitig mehr. Die Andeutungen verdichteten sich, es gab konkretere Vermutungen worin das Geheimnis des Städtchens liegen könnte. Als sich die Überlegung zu einer Grabung auf einer nahegelegenen Wiese immer mehr verdichtete und eine Leiche ausgegraben wurde, hatte ich meinen roten Faden. Doch dieser rote Faden wurde von Frau Menasse erst über viele Umwege entknotet. Ich werde hier bewusst nicht die einzelnen Personen vorstellen, damit ließe sich wahrscheinlich in einer Rezension schlecht etwas anfangen. Aber sie sind es trotzdem, die die Geschichte tragen, denn mir wurde klar, dass auch schweigen sehr aussagekräftig sein kann. So aussagekräftig, dass diese Stadt es über Jahre tatsächlich geschafft hat, ein schlimmes Ereignis auszuradieren. Es war soweit hinten in den Köpfen der älteren Bewohner verborgen, dass die Jungen gar nicht mehr auf die Idee kamen es anzurühren, auch wenn die Hinweise auf der Hand lagen. Erst als ein Mann in die Stadt kommt, der lange Zeit nicht dort war, und viel Leid aus eben diesem verborgenen Winkel aufzuarbeiten hat, und eine Dunkelblumerin, die eher forsch veranlagt ist die richtigen Fragen stellt, kommt alles ins Rollen. Diese Geschichte hat mich komplett überzeugt. Der Sprachstil der Autorin ist wunderbar. Die Idee, eine Stadt und ihre Bewohner als Schauplatz gegen das Vergessen zu rüsten, in meinen Augen genial. Die Komplexität ist enorm, und ich habe immer noch das Gefühl, dass sich mir manche kleinere Anekdoten und Zusammenhänge entgangen sind. Wenn Sie dieses Buch lesen sollten, was ich Ihnen nur ans Herz legen möchte, ein kleiner Tipp! Alles hier ist wichtig, auch wenn es noch so banal erscheinen mag. Eine nicht funktionierende Ladenklingel kann mehr sein als nur ein defektes Gerät.