renee
Female Power "Der Schattenkönig" ist kein mich anzündendes Buch, kein mich intensiv berührendes Buch, aber es ist immens eindrücklich und fesselnd und vom Aufbau her einfach einzigartig und kunstvoll und berauschend. Teilweise wirkt das Geschriebene recht klassisch, erinnert an dramatische Aufführungen im Theater, manches wird vorgetragen von einem Chor, wirkend wie ein interessanter Kunstgriff, dann wieder werden Fotos beschrieben, Fotos eines Fotografen, teilweise wirklich schwer zu ertragen und nichts für empfindsame Gemüter. Dazwischen erfolgt die Handlung in zwei Erzählsträngen, größtenteils ein Rückblick auf das Geschehen im Abessinienkrieg von 1935 bis 1941, Mussolini versuchte darin Abessinien zu kolonisieren und scheitert letztendlich am massiven Widerstand der Äthiopier, dann wieder Einblicke in das Denken und Wirken von Haile Selassie, dem äthiopischen Kaiser, und ebenso kurze Blicke auf das Jahr 1974, dem Jahr der Abdankung des äthiopischen Kaisers. Geschildert in einem romanhaften Geschehen, dass ebenso öfters an Theatralik gewinnt, im epischen und prosaischen Gewande erscheint, dann wieder ruhiger und geerdeter erzählt wird. Dies ist für mich eine bisher einzigartige Erzählart, die sich irgendwie einbrennt ins Hirn. Ebenso brennt sich das Geschehen ein, das Grauenhafte im Procedere des Abessinienkrieges; Giftgasangriffe, Bombardierungen und das furchtbare Töten von vielen Menschen, Kämpfern und Zivilisten. Ja, die Faschisten wüten in Abessinien! Dabei wird nicht einmal versucht den Vielvölkerstaat Abessinien/Äthiopien zu verstehen, sondern eher die ethnischen Konflikte noch für die eigenen unmenschlichen Ziele benutzt, Völker werden gegeneinander aufgehetzt. Im Buch kommen dann noch die inneritalienischen Konflikte zu Papier, nämlich das Thema Judenhass, die Vernichtung der italienischen Juden. Und das Thema Frauen und Männer wird von der äthiopisch-amerikanischen Autorin beleuchtet, denn im Krieg kämpften ebenso die Frauen. Warum auch nicht? Opfer in diesem Krieg waren die Frauen doch auch! Also gab es in diesem patriarchalen Land auch Frauen an der Front. Vielleicht war auch das ein Zeichen zur Veränderung, ein Beginn von etwas Neuem. Dieses Buch stand auf der Shortlist des Man Booker Prize 2020, für mich vollkommen nachvollziehbar! Vielleicht empfinde ich nach der Lektüre von dem Gewinner des Man Booker Prizes noch bessere Listungen für dieses Buch, es sollte mich nicht wundern.