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thrillerleser

Posted on 8.11.2021

1975 lebt die 51-jährige Helga in einer Kommune auf dem Moarhof in Moosleitn am Chiemsee. Sie hat ihren Mann und die 9-jährige Tochter Ulla verlassen, um als Künstlerin ihre traumatischen Erlebnisse in der Vergangenheit zu verarbeiten. Als junges Mädchen musste Helga vor dem nahenden Krieg flüchten und hat auf der Flucht Dinge gesehen und erlebt, die sie nicht vergessen kann. 45 Jahre später will ihre Tochter Ulla endlich wissen, was ihre Mutter von ihr weg und in diese Kommune getrieben hat. Ulla fährt in Helgas Häusl der damaligen Kommune und findet Musikkassetten, die ihre Mutter ihr hinterlassen hat. Sehr viel dreht sich in diesem Buch um Mutter und Tochterbeziehungen. Da ist erst mal Ulla, die verzweifelt versucht, zu verstehen, weshalb ihre Mutter Helga sie beim Vater zurückgelassen hat. Ulla kann auch 45 Jahre später nicht verstehen, warum sie Helga plötzlich in der Kommune nicht mehr besuchen durfte. Diese Frage zieht sich durch die ganze Geschichte. Doch Ulla muss auch Kämpfe ausfechten mit ihrer eigenen Tochter Sandra, die keinen Kontakt mehr mit ihr wünscht. Dann ist da Helga, die zuerst als Freigeist charakterisiert wurde und bei der nach und nach andere Schichten ihrer Persönlichkeit freigelegt werden, die sie zu einer tragischen Figur machen. Als dritte Protagonistin wird Luise, eine Nachbarin von Helga im Jahre 1975 auf dem Moarhof mitgeführt. Luise lebt auch 2020 immer noch dort und so lernt Ulla die damalige Freundin ihrer Mutter besser kennen. Obwohl die Kapitel immer wechseln und abwechselnd Helga, Ulla und Luise im Mittelpunkt stehen, weiß man immer genau, wo man gerade steckt in der Geschichte. Dies, obwohl die Zeitebenen von 1975 und 2020 ebenfalls hin und her pendeln. Oft habe ich mich allerdings aus der Geschichte gerissen gefühlt. Denn sehr oft, wenn ich mich nach ein paar Seiten an die Zeitebene und die Figur gewöhnt hatte, wechselte die Perspektive wieder. Nach und nach verbinden sich die drei Perspektiven, allerdings empfand ich die Verbindung von Luise mit den beiden anderen Frauen als weit hergeholt. Jede Menge Zufälle spielen hier mit, obwohl ich den Kern der Verbindung als interessant und fesselnd empfand. Gegen Mitte werden vor allem die Kapitel um Luise träge und langatmig. Zu lesen, wie sie sich kleidet, ihr Häuschen eingerichtet hat und Sport treibt und dies mit etlichen Wiederholungen empfand ich weniger prickelnd. Auch ihre finanziellen Nöte werden lang und breit erklärt. Etwas, was zwar im weiteren Verlauf der Handlung eine Rolle spielt, man jedoch weniger ausschweifend hätte erzählen können. Neben dem Hauptthema Mutter-Tochterbeziehung werden viele Themen kurz angesprochen, jedoch nicht vertieft. Die Rechte der Frauen, die Kunst oder der Krieg sind solche Themen. Hier wäre vielleicht weniger mehr gewesen? Das ist das erste Buch der Autorin Inge Löhnig, die unter dem Pseudonym Ellen Sandberg schreibt, das mir weniger zugesagt hat. Die Autorin bleibt sich jedoch treu mit einem Geheimnis, das das ganze Buch über mit wabert, starken Frauenfiguren und Abstechern in die Kriegszeit.

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