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Yvonne Franke

Posted on 8.11.2021

Ein Riese aus dem Zwergenstaat. "Für immer die Alpen", diese tollkühne Heldenreise von Benjamin Quaderer, beginnt in Liechtenstein und kehrt immer wieder dorthin zurück. Schon Johann Kaisers früheste Kindheit ist voll ungewöhnlichstem Schmerz. Unter Kissen halb erstickt von den älteren Schwestern, den sarkastisch bösartigen Zwillingen, fällt der kaum dem Säuglingsalter entwachsene Johann in ein Koma, aus dem er erst Jahre später erwacht. In dieser Zeit aber hat er das Weltgeschehen durchaus aufmerksam verfolgt und sich so seine Gedanken gemacht. Nur mit der Kraft des eigenen Willens ist es ihm möglich, aus dem Bett zu springen und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Klingt komisch? So aber erzählt es doch Johann Kaiser selbst. Allerdings wird der im Laufe der Zeit zum Staatsfeind Nr.1 und irgendwie hat das auch mit Hochstapelei zu tun. Quaderer sprüht wirklich außergewöhnlich stark vor Erzähllust. Er fügt sich keiner der üblichen Formalitäten, sondern bleibt immer wach und neugierig und erfinderisch im Schreiben. Er lässt keine formale Idee liegen, sondern folgt ihr immer bis zum Schluss. Da kann es auch passieren, dass eine Fußnote zu einer 20-seitigen Parallelerzählung wird oder, dass sein Johann 7 Seiten lang aneinanderreiht, wo und wann seine erste feste Freundin und er sich berührten. (Er zitiert dabei aus seinem "Buch der Berührung" , das anfangs noch "Buch der ausbleibenden Berührung" hieß, aber dann kam ja dieser Kuss.) Das alles ist so wild und herrlich, dass man laut glucksen muss vor Vergnügen. Uneingeschränkt jubelnde Empfehlung! Es ist ein einziges Lesefest.

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