Yvonne Franke
Vier Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ist +Francis, der zweite Roman des Kanadiers David Chariandy, nun endlich in der feinsinnigen deutschen Übersetzung von Thomas Bovot erschienen. Ich muss gestehen, dass mir dieses besondere Buch ansonsten entgangen wäre, obwohl es in Kanada direkt mit Preisen überhäuft wurde. Da Kanada in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse war, habe ich dann aber zum Glück etwas genauer hingesehen. Habe den Blick vorbeigedrängt an der überlebensgroßen Margaret Atwood, die einem als erste, vielleicht sogar als einzige kanadischen Literatin sofort einfällt. Chariandy ist ein zarter Erzähler. Einer, der seine Figuren behutsam anfasst und respektvoll entblättert. Der harten Welt am Rande Torontos, mit ihren lebensbedrohlichen Schlägereien und dem immer mitsummenden Grundton von Verzweiflung, setzt er die entschlossene Menschlichkeit seiner Helden und Heldinnen entgegen. Sie wollen füreinander da sein, diese zwei Brüder, und ihre erschöpft gegen die Hoffnungslosigkeit ankämpfende Mutter. Sie erzählen mit jeder Handbewegung von der Liebe, in einem Umfeld, das einen doch eigentlich dazu zwingen müsste, die Fäuste zu ballen. Sie schaffen es zu träumen, sich gedankliche Inseln zu schaffen, auf denen es eine Zukunft geben könnte. Auch wenn sie dann mit einem Knall zerfällt. Drei ganze Leben in all ihren Facetten, erzählt auf gerade einmal 189 Seiten. Es ist mir immer noch ein Rätsel, wie das möglich ist. Aber es ist möglich.