Buchdoktor
In den Sozialen Medien ist „Doc Caro“ Zielscheibe für Hass und dumme Sprüche. Als Notärztin arbeitet sie direkt mit Rettungssanitätern, Feuerwehrleuten und Polizisten zusammen. Nicht zu vergessen mit Kollegen der Leitstellen, die blitzschnell aus Anrufern herausbringen müssen, um was es im eingehenden Notruf geht, oder am Telefon eine Reanimation anleiten. Die geschilderten Notfälle sprechen für sich und erwecken meinen Respekt gegenüber den genannten Berufsgruppen. Holzner führt ihre Leser an Einsatzorte, die sie sich in ihren verrücktesten Fantasien nicht hätte ausmalen können. Sie erzählt von ihrer Berufung, aber auch von der Last der Verantwortung und Einsätzen, nach denen Helfer selbst professionelle Hilfe benötigen. Ihre Darstellung ist empathisch und nüchtern-ironisch zugleich. Direkt im Text sind mehrere Triggerwarnungen zu finden. Die dort angeschnittenen Themen lassen sich eher verdauen, wenn sie in kleinen Portionen gelesen werden. Beeindruckend fand ich, wie bewusst Holzner sich ist, dass sie als Ausbilderin nicht nur die folgende Ärztegeneration prägt, sondern ihre Empathiefähigkeit als Vorbild für junge Feuerwehrkollegen oder Polizisten dient. Für ihre Kollegen, Patienten und deren Angehörige soll ihr Buch sprechen – und das gelingt der Autorin ausgezeichnet. Ob Krankenhäuser Wirtschaftsunternehmen sein sollten und ob 24-Stunden-Dienste als Sparmaßnahme zu verantworten sind, schwingt dabei unüberhörbar mit. Die ewige Frage, ob in Vollmondnächten mehr Einsätze gefahren werden, bleibt weiterhin offen … Ergänzt wird Holzners Erfahrungsbericht durch ergänzende Infokästen, z. B. zum Thema Patientenverfügung. Die Kombination aus medizinischer Fachsprache und umgangssprachlichen Passagen könnte insgesamt niederschwelliger sein; Akademiker vergessen leicht, dass sie nicht nur für ihre eigene Schicht schreiben. Dennoch: ein zu Tränen anrührendes, nachdenklich machendes Buch, bei dem ich jedoch oft nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte.
