herbstrose
Grenzen - physisch, psychisch, real und mental … Sie ist allein in der kleinen Wohnung in Helsinki, wohin sie sich geflüchtet hat. Sie ist panisch und steht unter Schock – was ist der jungen Frau widerfahren? Sie heißt Adina und wuchs als letzte Jugendliche in einem kleinen tschechischen Dorf im Riesengebirge auf. Nach der Schule verließ sie ihre Heimat, fuhr nach Berlin um Deutsch zu lernen und Geowissenschaft zu studieren. Sie freundete sich dort mit der Fotografin Rickie an, die ihr eine Praktikantenstelle auf einem Gut in der Uckermark vermittelt, wo der Unternehmer Razlav Stein ein Kulturzentrum errichten will. Dort nennt man sie Nina, sie selbst nennt sich gerne „der letzte Mohikaner“ nach dem tapferen Krieger, den sie gerne wäre. Ein wichtiger potentieller Investor und Gast auf dem Gut ist der Schwabe Johann Manfred Bengel, der Nina eines Abends auflauert, seine Triebe nicht beherrschen kann und dadurch ihr Leben auf den Kopf stellt. Sie gerät in Panik, flüchtet, nur weg, weit weg, immer nach Norden - und landet in Finnland. In einem Hotel in Helsinki findet sie einen Job und haust in einer Dachkammer. Dort begegnet sie Leonides, einem Professor aus Estland und Abgeordneten der EU in Brüssel, der sich in sie verliebt und sie Sala nennt. Adina zieht zu ihm und hat nun endlich die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Doch dann hat sie eine unerwartete Begegnung, die die alten Wunden wieder aufreißt und sie erneut veranlasst, ihren sicheren Zufluchtsort zu verlassen und wieder unterzutauchen … Die Autorin Antje Rávik Strubel wurde 1974 als Antje Strubel in Potsdam geboren. 2001, nachdem sie ihren ersten Roman veröffentlicht und dafür bei den Klagenfurter Literaturtagen den Ernst-Willner-Preis erhielt, entschied sie sich für ihren Autorennamen, indem sie den erfundenen Namen „Rávic“ hinzufügte, den sie später in „Rávik“ änderte. Neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin arbeitet sie auch als Übersetzerin und war zeitweise auch Stadtschreiberin in Rheinsberg. Bisher veröffentlichte sie zwölf Bücher, für die sie einige Preise und Auszeichnungen erhielt. Der vorliegende Roman „Blaue Frau“ wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnet. Antje Rávik Strubel lebt und arbeitet in Potsdam, wo sie mit einer Frau zusammenlebt. Überschreiten und verletzen der ureigensten Grenzen und dadurch entstehende traumatische Lebensumstände, Grenzübertritte von Ost nach West, Ausbeutung und Gewalt an Frauen aus Osteuropa und eine Gesellschaft, die darüber hinwegsieht – das sind die herausragenden Themen dieses Romans. Die Autorin bedient sich dabei verschiedener Stilmittel, benutzt Rückblenden und Vorausahnungen, rasch ändernde Schauplätze, assoziiert Privates mit Politischem, lässt ihre Figuren über sich selbst reflektieren und wechselt zwischen Realität und Fiktion. Dann ist da noch eine blaue Frau ohne Namen, die zwischendurch immer wieder auftritt, die alles weiß und sich mit irgendjemandem Imaginären unterhält. Wer ist sie? Mit wem unterhält sie sich? Auch das Ende wirft Frage auf, ist unklar, wird nur angedeutet und bleibt verschwommen. Als Leser kann man nur hoffen, dass Adina (Nina, Sala) inzwischen gelernt hat, sich zu wehren. Fazit: Das Buch hat gewichtigen Inhalt und findet gewiss seine Liebhaber und Freunde - mein Lesegeschmack ist es nicht!