stefan182
„Die Erzählungen des Folio Club“ ist ein Frühwerk von Edgar Allan Poe, das fragmentarisch überliefert ist . Erinnernd an „Die Serapionsbrüder“ von E.T.A. Hoffmann treffen sich die Mitglieder des Folio Clubs, um sich gegenseitig ihre literarischen Stücke zu präsentieren. Es versammelt elf Novellen aus der Feder von Poe. Während diese Novellen vollständig überliefert sind, existiert die Rahmenhandlung in Form einer kurzen Vorrede nur in einem fragmentarischen Zustand. Die Novellen entstammen den verschiedensten Genres. So finden sich humoristische Erzählungen („Wie man Geld auftreibt oder: Schwindeln als eine der exakten Wissenschaften betrachtet“), Gruselgeschichten in romantischer Tradition („Der Geisterseher“, „Siope“, „Metzengerstein“), burleske Teufelshändel („Ein geplatzter Handel“, „Der Herzog de l’Omelette“) und historische Erzählungen („Epimanes“, „Eine Geschichte aus Jerusalem“) Daneben findet sich eine Geisterschiffgeschichte („Das Manuskript in der Flasche“), eine absurd-komische Erzählung über den Scheintot („Ein entschiedener Verlust“) und die Nasen-Wissenschaft („Berühmt – Eine Erzählung“). So unterschiedlich die Erzählungen auch sind: Geeint werden sie durch ihren satirisch-persiflierenden Charakter. Der junge Poe spielt mit Genretraditionen und persifliert diese, versteckt in seinen Figuren reale Vorbilder und baut Referenzen zu anderen literarischen Werken ein. Da diese satirischen Züge vergleichsweise diffizil sind, ist vieles davon aus heutiger Perspektive nicht leicht ersichtlich. Umso verdienstvoller ist die Arbeit von Rainer Bunz, dem Herausgeber „Der Erzählungen des Folio Club“: In ausführlichen Anmerkungsapparat werden intertextuelle Verweise, Fremdwörter, Personen und Zitate erklärt; ein ausführliches Nachwort kontextualisiert die einzelnen Novellen vor dem Hintergrund ihrer Genretradition und erläutert den jeweiligen satirischen Zug (Anmerkungen und Nachwort nehmen ungefähr 1/3 der Manesse-Ausgabe ein). Zuletzt sind in der Manesse-Ausgabe die elf Novellen erstmals in Erstfassung ins Deutsche übersetzt worden sind (Im Deutschen existieren bisher nur Übersetzungen späterer Fassungen der Novellen, in denen Poe Hinweise auf den Erzählkontext des Folio Clubs tilgte).
