Profilbild von birgit_boellinger

birgit_boellinger

Posted on 31.10.2021

Sich selbst definieren, sich selber finden mit den unzulässigen Mitteln der Sprache – das scheint mir ein Leitmotiv zu sein in diesem außergewöhnlichen Gedichtband. Eine Poesie, der die Macht der (Ent-)Täuschung innewohnt: Sätze, die so klar und nüchtern im Stil zu sein scheinen, und mit denen dennoch alle Spuren verwischt werden. Beispielgebend dafür ist Sansibar, Protagonist im ersten Zyklus: Es sollte ein Roman ohne Worte werden aber voller Gedanken Der Ehrgeiz packte mich es schüttelte mich Es ging mir nicht gut Ich war kurz davor einen Satz in mein Heft zu schreiben einen Satz der alle Worte zum Blühen gebracht hätte und was blüht ist vergänglich Was blüht, ist vergänglich, was gesagt ist, kann heute wahr sein und morgen ein gebrochenes Versprechen: Eine Dichterin im Ringen mit der Unzulänglichkeit, der Unzuverlässigkeit der Sprache. Ein Ringen, das funkelt, das Sätze birgt, die sich einprägen: Der Tod, sagt meine Mutter, ist eine schnell heilende Wunde. Die Narben, die er hinterlässt, sind Sache der Lebenden. So klar die Sprache von Elke Engelhardt erscheint, so viele Geheimnisse tragen Sansibar, die kleine Frau und die lyrische Stimme im dritten Zyklus, „Die Lumpen meiner Erinnerung“, mit sich herum. Man möchte mehr davon lesen, wohlwissend, dass man den Geheimnissen eines Menschen mit den Mitteln der Sprache wohl nie auf den Grund kommen wird.

zurück nach oben