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gwyn

Posted on 30.10.2021

«Das Meer schloss sich über seinem Kopf, er sank dem Grund entgegen, fort vom Licht der Oberfläche.» Ein intelligent konstruierter Krimi, spannend, sprachlich gut mit überraschendem Ende. Was will man mehr! An einem sonnigen Tag verschwindet der 15-jährige Oscar. Wurde der Sohn aus betuchter Familie entführt? Oder ist er schlicht abgehauen? Der Vater betreibt einen Kunsthandel und seine Schwester, selbst Künstlerin, verarbeitet Totenkulte in ihren Werken. Den Kopenhagener Ermittlern Anette Werner und Jeppe Kørner erscheint die Familie ein wenig schräg: Zu fünft schläft man gemeinsam in einem riesigen Familienbett. Gut, der älteste Sohn hat sich gerade dort ausgeklinkt – zu alt, wie er sagt. Kurz darauf wird durch Zufall eine junge, männliche Leiche in einer modernen Müllverbrennungsanlage entdeckt, die dort entsorgt werden sollte. Nur dumm für den Täter, dass der Greifer die Einwickelfolie gelöst hat. Ist es Oscar? Und zufälligerweise arbeitet der Vater von Oscars Freundin hier als Ingenieur. Zu viele Zufälle. Malthe Sæther, ein beliebter Lehrer gerät ins Visier der Ermittler – nicht lange ... Er kann nicht mehr sagen, was er gewusst hat. «Michael beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. Der Schuh saß an irgendetwas fest. Als die Ladung sich direkt vor dem Fenster befand, fiel ein Arm aus dem Müll und baumelte leblos unter dem Greifer. In der selben Sekunde spuckte Kasper Skytte seinen Kaffee ans Fenster. Michael hämmerte auf den Alarmknopf.» Das Privatleben von Jeppe und Anette wird eingestreut. Jeppe in Beziehung mit einer Kollegin, die zwei Kinder hat, was die ganze Sache kompliziert. Anettes Mann versorgt zu Hause das Kleinkind, kocht wundervoll; aber irgendwie ist die Luft heraus aus dieser Ehe. Ganz nebenbei zeigt die Autorin verschiedene Modelle des Zusammenlebens. Es ist ein vielschichtiger Plot, denn die Müllverbrennungsanlage in ihrer Komplexität ist nur ein Thema, das angesprochen wird. Es geht auch um Kunst, um junge Lehrer, Erziehungsmethoden, Missbrauch – alles nur angestoßene Themen, die nicht zum Hauptthema werden, weil sie es auch nicht sind. Doch genau hier schafft es die Autorin, den Leser auf falsche Spuren zu schicken; clever gelöst, man fällt auf die eigenen Vorurteile herein. Verschiedene Handlungsstränge, die gekonnt verwoben sind, werden entwirrt, dann mit einem anderen Strang verknüpft, bis zum Ende alles aufgelöst ist; die Geschichte hat Hand und Fuß. Die Charaktere sind fein skizziert und man fühlt sich in Kopenhagen angekommen, ohne das Gefühl zu haben, ein Sightseeing zu machen. Schlicht ein Setting in Kopenhagen – denn irgendwo muss eine Handlung ja spielen. Die Ermittler sind Menschen wie du und ich, weder Superhelden, noch knurrige, versoffene Eigenbrötler, die im gefährlichen Alleingang unterwegs sind. Das war erfrischend. Eine Sprache die prägnant ist in Atmosphäre, in Beschreibungen – ich war drauf und dran das Fenster zu öffnen, als die Beteiligten in Schutzanzügen durch die Müllverbrennung stiefelten. Zarter Humor schwebt im Unterton, und die Autorin ist eine Meisterin der Zwischentöne: Angedachtes, Nichtgesagtes, ein Blick, eine Geste – und natürlich benötigt eine solche Autorin auch kein fließendes Blut – tote Menschen, ein Bericht über die Todesart. Katrine Engberg braucht nicht mehr, um Eiseskälte und Suspence zu schaffen, die sie an ganz anderen Stellen atmosphärisch einbringt. Meine Empfehlung. Katrine Engberg, geboren 1975 in Kopenhagen, arbeitete für Fernsehen und Theater und war als Tänzerin, Choreographin und Regisseurin landesweit bekannt, bevor sie in der Welt des skandinavischen Thrillers debütierte – mit großem Erfolg, auch international. Katrine Engberg lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen. Auszeichnungen: Dänischer «Martha Prisen» für Isola, 2021; eine von fünf offiziellen Kulturlotsen für Kopenhagen, ein Projekt der dänischen Botschaft und Wonderful Copenhagen, 2019; nominiert für den «Martha Prisen», Dänemark, 2018

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