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gwyn

Posted on 29.10.2021

«Renn, wenn du kannst!» Siebenbürgen in den 1940er-Jahren: Eli und Luli sind neun Jahre alt und unzertrennlich. Lulis Mutter ist verstorben, der Vater in die USA ausgewandert, um erfolgreich zu werden; sie wohnt bei ihrer Tante. Elis Vater ist verstorben und er wohnt mit der Mutter beim alten Isaak, einem Stoffhändler, dem sie in Haushalt und Laden hilft. Das Lieblingsspiel von Luli und Eli ist laufen; sie starten ein Wettrennen nach dem anderen. Und die beiden haben vor Vampiren eine maßlose Angst. Als Eli plötzlich schwer krank wird, kommt Luli ihn jeden Tag besuchen. Halbwegs genesen, aber er ist immer noch schlapp, gibt sie ihm Heilwasser aus der Quelle vom Berg Szalavan zu trinken; sie ist extra für ihn hinaufgestiegen – sagt sie. Und Eli wird gesund! Herrlich, was ihm Luli später als Erwachsene zu dem Wasser erzählt ... Nun erhält Luli das ersehnte Schiffsticket von ihrem Vater, um ihm nach Amerika folgen. Eli bleibt traurig zurück, doch Luli gibt ihm das Versprechen, ihn nachzuholen. Eli feiert seine Bar-Mizwa und die Zeiten werden schwieriger für Juden. Der Zweite Weltkrieg beginnt und nun müssen Juden sichtbar einen gelben Stern tragen. Es wird noch schlimmer, Juden werden aus ihren Häusern vertrieben und nach Auschwitz deportiert. Eli überlebt, wird nach dem Krieg als Jugendlicher von Schweden aufgenommen. Er schlägt sich durch als Arbeiter. Doch dann erreicht ihn ein lang ersehnter Brief aus New York … Die Geschichte bewegt, eine Kinderfreundschaft, die über die lange Zeit von der Sehnsucht getrieben wird, wieder zueinanderzufinden – und es gelingt. Man erfährt etwas über jüdisches Leben und Gebräuche, ganz langsam tastet sich Rose Lagercrantz an den Holcaust heran. Die Vampire stehen letztendlich für Antisemiten. Für einen Erwachsenen ist das klar ersichtlich, doch für ein Kind? Natürlich ist es schwierig, Kinder an das Thema heranzuführen. Eli beschreibt in Kürze die Veränderung: Schulverbot, Judenstern, das Verbot, ein Radio zu besitzen, dann immer schlimmere Vorschriften, die Schließung des Ladens, Deportation im Viehwaggon, das Gefühl, wie er an der Selektionsrampe von Auschwitz gewaltsam von seiner Mutter getrennt wird, die das Lager nicht überlebt. Es war das letzte Mal, dass er sie sah, auch der alte Isaak verstarb, wie Millionen anderer Menschen. Mit seinem Bruder Adam kommt Eli nach Bergen-Belsen, überlebt schwer an Typhus erkrankt. Die KZ-Zeit bleibt in dem Buch eine Leerstelle. Eli wird später von Kindern und Enkeln befragt, gebeten, etwas von der Zeit des Holocaust zu erzählen. Er erklärt, dass es Dinge im Leben gibt, über die man nicht reden mag. Wer nicht reden mag, der kann schreiben, sagen die Enkel – damit die Nachwelt diese Zeit nie vergisst, so der Rat der Nachkommen. «In meinem Leben gibt es zwei von jedem – doch nur eine Luli.» Eine Liebesgeschichte in der Shoah, untermalt mit kleinen Aquarellen von Rose’s Tochter Rebecka Lagercrantz. Es sind kleine Vignetten, Tuschzeichnungen, die die Essenz aus dem Text ziehen: die Landschaft in Siebenbürgen, der Friedhof, glückliche Kinder, jüdische Symbole – Juden mit dem gelben Stern bei der Deportation, das Tor von Auschwitz – das glückliche Ende. Das Buch ist für das Lesealter ab 9 Jahren ausgewiesen. Es sind kurze Sätze, der Text ist in sehr großer Schrift für Leseanfänger gesetzt. Das halte ich eher für ab 7 Jahren geeignet, auch inhaltlich. Es ist eine zarte Herangehensweise den Holocaust zu erklären, kurz, angedeutet – und es ist eine wundervolle Geschichte über Freundschaft und Liebe. Neunjährigen kann man meiner Meinung nach kleinere Schrift und mehr Inhalt über die NS-Zeit zumuten, die Kinderliteratur hat viele kindgerechte Geschichten zum Thema zu bieten. Alles in allem ein bewegendes Buch. Rose Lagercrantz, geboren 1947 in Stockholm (Schweden) arbeitete für Rundfunk und Fernsehen, bevor sie begann Kinderbücher zu schreiben. Für ihr Gesamtwerk wurde sie mit der Nils-Holgersson-Plakette und dem Astrid-Lindgren-Preis ausgezeichnet. Für «Das Mädchen, das nicht küssen wollte» (Antiquariat) erhielt sie den August-Preis, Schwedens wichtigsten Literaturpreis. Rebecka Lagercrantz, geboren 1972, ist Kinderärztin und Künstlerin. Sie malt, bildhauert und illustriert Kinderbücher. Mit ihrem Mann und ihren Kindern lebt sie in Stockholm.

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