joberlin
Die deutsche Avantgarde-Schriftstellerin und Künstlerin Unica Zürn übernahm sowohl in ihrem Leben als auch in ihrer Kunst viele Rollen. Von der Nachwelt weitgehend vergessen und nur noch einer kleinen Zahl kenntnisreicher Bewunderer bekannt, rückt sie nun erneut - durch die im Aufbau Taschenbuch Verlag erschienenen romanhaften Biografie der dänischen Autorin Kirstine Reffstrup - in den Blickwinkel des Interesses. Ihr Buch basiert auf Zürns Lebensdaten, ist aber als literarische Interpretation zu lesen in der – wie in Zürns künstlerischer Arbeit – "unter dem Licht der Lampe winzige Details und unzählige Linien sichtbar werden". Eine ganz wesentliche Rolle in Unicas Leben spielt der Künstler Hans Bellmer, ihr Geliebter – ihm ist sie – wie in so vielen Künstlerbeziehungen - Muse, Modell, Sekretärin und Hausfrau. Die Autorin lässt ihre Protagonistin selbst erzählen, von Bellmers verdrehten Puppeninstallationen zum Beispiel - mit Bändern verschnürt wird auch Unica "Tied Up" ein Mitglied seiner "Dolls". Über Unicas eigene Kunst beziehungsweise über das Werden der Künstlerin erfahre ich jedoch wenig - abgehackt, im Telegrammstil, springen ihre Gedanken unruhig hin und her, eine zerrissene Frau wird sichtbar, aber …. konnten sie und Bellmer sich gegenseitig inspirieren, konnten sie sich in Zeiten des Exils in Frankreich Halt und Sinn geben? Das langsame (Ver)Sinken in die Schizophrenie wird von der Autorin gut dargestellt, jedoch wirken ihre Sätze stets ein wenig eitel. Mehr für sich als für Unica geschrieben, ergeht sie sich in ziselierten Gedankengängen der erkrankten Künstlerin. So ist das Buch mehr ein kunstvoll arrangiertes Aufarbeiten der Schriften Zürns, die ja durch frei assoziiertes, "automatisches Schreiben", ohne Eingreifen des kritischen Ich gekennzeichnet waren. Das Buch ist nicht in allen Aspekten gelungen, jedoch konnte es mich für das Werk Zürns und auch Bellmers interessieren – viele Stunden habe ich mich mit den beiden Künstlern beschäftigt. Wer also Anregung zur eigenen Recherche möchte, kann mit diesem Buch mehr als zufrieden sein und findet durch "Ich, Unica" einen guten ersten Weg zu dieser außergewöhnlichen Künstlerin.