Profilbild von nannisraeuberleben

nannisraeuberleben

Posted on 27.10.2021

"Wildtriebe" ist sprachlich wie inhaltlich ein Highlight für mich. Mit einem feinen Sinn für menschliche Gefühle und Bedürfnisse, skizziert Ute Mank die Porträts dreier Frauen unterschiedlicher Generationen und der Konflikte, die durch ihr Zusammenleben entstehen. Lisbeth ist mit Leib und Seele Bäuerin. Vielleicht, weil sie nichts anderes kennt, vielleicht, weil sie in diese Liebe hineingewachsen ist. So wie ihre Mutter, ihre Großmutter und die Frauen davor. Während sich die Welt um sie herum verändert, scheint Lisbeth gleich zu bleiben. Ist beständig in ihrem Handeln und Denken. Der Hof steht für sie an erster Stelle, Kinder zu bekommen, die diesen Hof weiterführen an zweiter. Als ihr Sohn Konrad die Marlies mit auf den Hof bringt, ist Lisbeth erstmal zuversichtlich, trotz dass Marlies arbeiten geht und die Fingernägel färbt. Wenn sie erstmal auf dem Hof ist, wird sie schon lernen, was dort zu tun ist und wird den Hof genau so lieben, wie Lisbeth und Konrad. Doch Marlies trägt den Wunsch nach Unabhängigkeit in sich. Eine eigene Arbeitstelle, Haushalt nach ihren Vorstellungen, kein Kind, das Frauen an den Herd bindet. Um ihrem Bedürfnis nach Freiheit nachzukommen, macht sie einen Jagdschein und verschwindet nachts im Wald. Durchatmen, zur Ruhe kommen, allein sein. Als sie schwanger wird, freut sich das ganze Dorf und ganz besonders Lisbeth. Sicher wird eine Bäuerin geboren werden. Marlies ist nur eingeschränkt erfreut. Einschränkungen und Meinungen über Marlies und ihr Kind scheinen zuzunehmen. Dass Joanna zu einer selbstbewussten jungen Frau heranwächst, hat sich Marlies immer gewünscht, dass sie so sehr ihren eigenen Weg geht und eine Distanz zwischen Mutter und Tochter schafft, das hat sie nicht gewollt. Die Wege der drei Frauen sind wie eine Kette. Jedes Glied ist mit einem anderen verknüpft. Handlungen rufen Aktionen hervor, die nicht unbedingt geplant, aber doch für mich als Leserin nachvollziehbar sind. In den meisten der selbstgemachten Probleme, ist mangelnde Kommunikation der Grund der Ursache. Nicht selten wünsche ich mir, dass Lisbeth und Marlies mehr miteinander sprechen, denn ich glaube, dass sich so manches Missverständnis geklärt hätte und das ein anderes Verständnis füreinander gewachsen wäre. Aus der Realität weiß ich, dass es eben schwierig ist zu benennen, was im Inneren brodelt, was für dunkle Nächte und unter den Blicken der Nachbarn für ein ungutes Gefühl im Bauch sorgt. Gerade für die Generation der Frauen in Lisbeths Alter ist es schwierig. Sie haben nicht gelernt eigene Bedürfnisse zu haben, und schon gar nicht, diese anzusprechen. Dass danach Frauen auf die Bildfläche treten, die sich auf unterschiedlichen Wegen erste Freiheiten erkämpfen, die plötzlich gesehen werden wollen, statt zu funktionieren, rüttelt an den Grundfesten dessen, was für die vorangegangene Generation auch Sicherheit bot. Ich könnte noch ewig weiter darüber reden, was Ute Mank in ihrem Roman so gut darstellt. Ich selbst komme von einem Bauernhof, in dem mehrere Generationen unter einem Dach lebten und Missverständnisse und Generationenkonflikte Verletzungen zufügten. Ein Wiedererkennen, dass den Roman für mich zu einer sehr spannenden Lektüre werden lies, die durch eine klare Sprache, kurze Sätze und eine gewisse damit einhergehende Poesie perfekt abgestimmt wurde.

zurück nach oben