birgit_boellinger
Es ist immer wieder erstaunlich, welch eine Fülle an großartigen Erzählerinnen und Erzählern das Land über dem großen Teich zu bieten hat. Thomas Zirnbauer von dtv machte mich mit einem Post auf diesen Mann aufmerksam, schon der Buchtitel sprang mich an: „Wo ich herkomme, sind die Leute freundlich“. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich zuvor von dem Pulitzer-Preisträger William Saroyan noch nie etwas gelesen hatte: Ein Versäumnis, wie sich zeigte. Der Titel dieses 2017 bei dtv erschienenen Erzählbandes verspricht nicht zu viel: In der Tat ist William Saroyan (1908 – 1981), im Gegensatz zu Hemingway, an dem er sich auch in seinen Texten immer wieder ironisch reibt, ein freundlicher, ein menschenfreundlicher Autor. Er erzählt von Ausreißern, Trinkern, Arbeitslosen und Underdogs, tummelt sich in Bars, Billardhallen und auf der Straße. Nicht gerade von der Sonnenseite des Lebens also. Und doch vermag Saroyan seinen Figuren hellen, warmen Glanz zu geben, ohne in das Klischee des „glücklichen Armen“ abzurutschen. Es ist der Humor, der ganz besondere Witz und eine gute Portion Gelassenheit, die diese Stories prägen. Unendlich köstlich ist beispielsweise die Geschichte vom Pechvogel zu lesen, der beim Glücksspiel 2400 Dollar gewinnt, aus Freundlichkeit einer alten Lady Geld zustecken möchte, deswegen jedoch als Dieb bezeichnet wird und die ganze Aktion beinahe mit dem Leben bezahlt. In „Zweitausendvierhundert Dollar und ein paar Zerquetschte für Freundlichkeit“ fängt der ganze Ärger eben mit dieser Saroyan eingeschriebenen Menschenfreundlichkeit an: „Er sagte, ganz egal, was man versucht, zum Beispiel freundlich sein, es hätte sowieso keinen Sinn, also könnte man genauso gut spielen. Er sagte: »Es gibt keinen einzigen Menschen auf der Welt, der das Spiel austricksen kann.« Er meinte nicht das Glücksspiel, er meinte das Leben.“ William Saroyan scheint das Tricksen besser gelungen zu sein, bis auf den letzten großen Coup. Kurz vor seinem Tod sagte er zu Journalisten: „Jeder muss sterben, aber ich habe immer geglaubt, in meinem Fall würde eine Ausnahme gemacht. Und was nun?“ Bis dahin führte der Schriftsteller armenischer Abstammung ein erfülltes, auch wildes Leben, einerseits geprägt von Eheskandalen und zu viel Alkohol, andererseits durch unermüdlichen Fleiß, wie Richard Kämmerlings von der Welt in seinem Nachwort zu dem Erzählband schreibt. Kämmerlings betont, wie sehr Sayoran auch literarisch seine Wurzeln als Kind eines armenischen Emigranten pflegt: „An das Erbe seines Volkes hat Saroyan nicht nur aus Sentimentalität angeknüpft, sondern sicher auch, weil die armenischen Charaktere mit ihrem hintersinnigen, dem jüdischen verwandten Humor, ihrer Erzählfreude und ihrer sophistischen Lebensphilosophie das ideale Medium für sein künstlerisches Projekt waren: Die Zumutungen des Alltags und die Schläge des Schicksals durch ihre Verwandlung in Literatur erträglich zu machen und sogar zu einer quasireligiösen Rechtfertigung des Daseins zu veredeln.“ Das alles kann man auch auf eine einfache Formel bringen: „Wo ich herkomme, sind die Leute freundlich.“