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Furbaby_Mom

Posted on 23.10.2021

*** Emotionsneutral, aber gut recherchiert *** Ich bin ein großer Fan von historischen Romanen, in denen starke Frauenfiguren eine zentrale Rolle spielen. In Kombination mit der Tatsache, dass ich einst selbst über die berühmte Brooklyn Bridge spaziert bin und einen einzigartigen Ausblick auf die Skyline Manhattans genießen durfte, war mein Interesse natürlich geweckt für den im Mai 2021 bei HarperCollins erschienenen Debütroman von Tracey Enerson Wood. Darin beleuchtet sie die Entstehungsgeschichte jener legendären Brücke, die zu den bedeutendsten Wahrzeichen der Welt zählt und deren Fertigstellung grundlegend von einer Frau beeinflusst worden ist, von der ich zuvor noch nie gehört hatte: Emily Warren Roebling. Ich erhoffte mir insbesondere Einblicke in die damalige Rolle der Frau, da viele unserer heutigen Freiheiten, wie das Frauenwahlrecht oder ein Universitätsstudium, zu jener Zeit ein Tabu waren. Auf Wunsch ihres Bruders, dem Generalmajor Gouverneur Kemble Warren (kurz: G.K.), der nach dem Tod ihres Vaters dessen Rolle für sie eingenommen hatte, besucht Emily einen Militärball, um als Tanz- und Gesprächspartnerin die Moral der Soldaten zu heben. Für viele werden es die letzten unbeschwerten Stunden sein, denn um sie herum tobt der Amerikanische Bürgerkrieg. Emily ahnt nicht, dass dieser Abend, an dem sie sich zunächst völlig fehl am Platz fühlt, ihr Leben für immer verändern wird, denn die Begegnung mit G.K.s Adjutanten, Captain Washington Roebling, ist schicksalsträchtig. Beginnend im Jahr 1864 wird der Roman aus Emilys Perspektive in Ich-Form erzählt. Gerade während des Einstiegs in die Handlung erschienen mir die zahleichen Zeitsprünge etwas unglücklich gewählt, da die erste Zeit zwischen Emily und Wash enorm zügig abgehandelt wurde und es mir durch die somit fehlende Tiefe schwerfiel, mich völlig auf ihre Romanze sowie auf Emily als Figur einlassen zu können. Sie blieb blass für mich. Diese Distanz konnte ich während des restlichen Verlaufs der Geschichte zwar nie ganz überwinden, doch ab dem zweiten Drittel wurde es besser. Und sobald ich mich damit arrangiert hatte, dass die meisten Passagen ohnehin rein dem bautechnischen Hintergrund der Brücke gewidmet waren, den zahlreichen nötigen Voraussetzungen sowie den mit ihrer Konstruktion einhergehenden Problemen (Reparaturen, menschliche Unglücke, die Caissonkrankheit, etc.) - also dass die Brooklyn Bridge selbst tatsächlich die tragende Rolle in dem Roman einnimmt und die Liebes- und Lebensgeschichte von Emily eher zweitrangig daherkommt -, konnte ich der Story fortan entspannter folgen. Ich konzentrierte mich eher auf die Randgeschehnisse, die privaten, familiären Momente (die durchaus liebenswert, manchmal gar humorvoll erzählt worden sind), wann immer mir das Brückenbau-Thema zu intensiv wurde. Der Schreibstil ist teilweise recht detailliert und mit Fachbegriffen gespickt, insgesamt sehr ruhig und wenig mitreißend. Mir fehlten schlichtweg die Spannung und vor allem das Gefühl, folglich zog sich die Story für meinen Geschmack etwas in die Länge. Als sehr stimmig hingegen empfand ich die der Zeitepoche angepasste Wortwahl in den Dialogen. Für zukünftige Auflagen fände ich ein vorangestelltes Personenverzeichnis sinnvoll. In der mir vorliegenden Ausgabe informiert uns die Autorin im umfangreichen und äußerst interessanten Nachwort über die für den Roman wichtigen Figuren, die größtenteils auf wahren Personen basieren, und erklärt, welche Aspekte der Handlung sie mit Fiktion angereichert hat. Fazit: Auch wenn ich zur titelgebenden weiblichen Hauptfigur kaum Nähe aufbauen konnte, ist es kein schlechtes Buch – eben nur deutlich neutraler als die emotionsgewaltigen Werke, die ich ansonsten lese. Gerne empfehle ich den Roman geschichtsinteressierten New-York-Fans sowie Liebhabern von historischen Frauenromanen.

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