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anne_hahn

Posted on 23.10.2021

Gute Laune fördert die Lust an Sarkasmus, und den bietet die seltsame Reise des Herrn Oluf nach Hunsum reichlich. Gleich zu Beginn lässt er seine hochfiebernde Frau mit dem ebenfalls kranken Baby zurück. Herr Oluf soll einen Vortrag halten und geht beim Autofahren in den Norden die Rede durch. Ab und an versucht er, zu Hause anzurufen. Profanes wie die (allermeisten) Mitmenschen widern Herrn Oluf an, der seine Ideale aus der Kunst- und Filmgeschichte schöpft. Diesem verschrobenen Misanthropen gelingt es nicht einmal, seinen Handy-Account zu aktivieren - weil er die anzuklickenden und Code-entsperrenden Bildchen nicht versteht. Spätestens hier erlag ich dem Charme des Romans. Unangenehm oft scheitere ich an ähnlich doofen Aufgaben. (Sind Ortseingangsschilder Verkehrszeichen oder nicht?) In der detaillierten Erzählung der Dilemmata blieb mir das Lachen im Halse stecken. Das ganze Buch ist ein Schenkelklopfer auf eigene Kosten. Aus der Erinnerung scheint mir das beklemmende Gefühl, Herr Oluf liebe niemanden (mehr) wirklich, herüber. Ein tragisches Erlebnis aus seiner Jugendzeit wirft Schatten ins Heute. Das Meer, eine Reise nach Frankreich, bei der jemand zu Schaden kam. Ein imaginärer Psychologe stellt dem Professor Fragen nach seiner Schuld und bedrängt ihn, der eigentlich den Vortrag halten und sofort wieder abreisen will. Oder ist es der Professor selbst, der seine Unsicherheit zu einer Existenzkrise ausweitet? Es werden viele Sinn-Fragen gestellt und die passenden Szenen exorbitant ausgemalt. Nasse Schuhe und ein offener Bademantel sind Zeugnisse eines ethischen Absturzes. Die Eckerschen Phantasmorgien finden diesmal im Kopf eines Professors statt und haben dabei nicht weniger Wucht als die ausgemalten seiner früheren Romane und Erzählungen. Es ist ein Schritt nach vorn. Hinter unsere Stirn. Wir sind der Professor. Wir reisen nach Norddeutschland und halten einen Vortrag, der peinlich daneben geht. Wir haben unsere Liebsten im Stich gelassen. Wie können wir da wieder rauskommen? Eine Version bietet Christopher Eckers zum Roadmovie mutierter Romanfortgang, der desolate Prof schlittert durch halb Deutschland mitten in ein Volksfest und eine kleinkriminelle Szene aus Dantes Inferno. Ich wünsche mir eine Serien-Umsetzung mit mindestens sechs Folgen, die alle ein anderes Ende und Ziel haben. Wir starten mit der Fahrt des Herrn Oluf nach Hunsum. Gute Reise!

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