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bibliomarie

Posted on 22.10.2021

Nun schon zum vierten Mal lässt Mick Herron die abservierten Geheimdienstleute aus Slough House ermitteln. Der Roman beginnt mit einer grandiosen Idee: an Hand der alten, maroden Heizungsrohre die sich durch das Haus ziehen, geht der Leser mit auf Entdeckungsreise durch die leeren Büros und lernt die Leute kennen. Mal sind es die vertrauten, mal neue Mitarbeiter, denn auch im Slough House gibt es immer wieder ungewollte Abgänge, aber es gibt genügend Nachschub von Geheimdienstlern, die einen Fehler machten oder aus anderen Gründen abserviert wurden und nun auf dem Abstellgleis auf eine Chance warten, so wie der junge River Cartwright. Sein Großvater war in seiner aktiven Zeit eine der Legenden des britischen Geheimdiensts. Aber nun beginnt sein Gedächtnis zu bröckeln, er wird gebrechlich. Aber nicht so hilflos, dass er nicht darauf reagiert, als ein Fremder sich als sein Enkel ausgibt. River findet den Toten bei seinem Großvater, er ist über die Ähnlichkeit erstaunt und als er eine Fahrkarte nach Frankreich in der Tasche des Toten findet, zufällig zu dem Ort, an dem der Großvater immer Urlaub machte, riskiert River einen Alleingang. Die Spionageromane von Mick Herron sind einfach Klasse. Wenn jemand dem großen Le Carré das Wasser reichen kann, dann ist es Herron. Der Plot ist reichlich verzwickt, aber intelligent und sein Sarkasmus bringt reichlich Unterhaltungspotenzial in den Roman. Ganz besonders liebe ich seine Protagonisten. Alle sind vom Beruf gezeichnet und tragen eine schwere Last mit sich, aber wenn sie gefordert werden, laufen sie wieder zur Hochform auf, egal welchen Ruf sie im „Park“, haben. Geführt werden sie von Lamb, der sein abgewracktes Image mit Hingabe pflegt. Ungepflegt, ungerecht und ignorant – damit verbirgt er geschickt seinen messerscharfen Verstand. Vor allem weiß er um die Intrigen in den Führungsetagen des Geheimdiensts und der politischen Verstrickungen um Macht und Einfluss. Lamb mit seiner Truppe, die „Lahmen Gäule“ (so der Titel des ersten Romans) weiß sie zu nutzen. Herron schreibt bissig und temporeich und immer stellt sich das Gefühl ein, so könnte sich das Geschäft um Spionage auch abspielen. Die Wirklichkeit hat schon manchen ausgefallenen Plot eingeholt. Spook Street hat alles, was ein Spionageroman braucht. Vielschichtige Charaktere, spannende Wendungen und dazu der unnachahmlich bissig-sarkastische Schreibstil und die pointierten Dialoge – einfach Spitze. Schade nur, dass der Diogenes Verlag sich nun für eine Paperback-Ausgabe entschieden hat, ich hätte gern die gleiche Ausstattung der Vorläufer im Regal gehabt.

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