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miss_pageturner

Posted on 19.10.2021

Weiter geht’s mit meinem Sachbuch-Leseplan. Ich bleibe erstmal beim Feminismus und las im August dieses Buch. Datenlücke Frau Unsichtbare Frauen ist ein klassischer Fall von What you see is what you get. Gerade der Untertitel verrät schon ziemlich genau, worum es geht: Um Datenerhebungen, Statistiken und Analysen und wie und warum Frauen dort kaum bis gar nicht auftauchen und welche Probleme sich daraus ergeben. Das Buch ist in sechs große Themenbereiche unterteilt: Alltagsleben, Arbeit, Design, Medizin, öffentliches Leben und der Katastrophenfall. Stets geht es darum, wie in diesen Bereichen Daten erhoben und genutzt werden und Frauen dabei fast immer kategorisch ausgeschlossen werden. Dabei weist die Autorin schon in ihrem Vorwort hin, dass das meist nicht mal mutwillig ist und nicht alle Menschen, die solche Daten erheben sexistische Vollpfosten sind. Vielmehr ist es eine kulturell und historisch bedingte tief verwurzelte Annahme, die den Mann zum “Standard” erklärt. "Die Annahme, alles Männliche sei allgemeingültig, ist eine direkte Folge der geschlechtsbezogenen Datenlücke. Weißsein und Mannsein können nur unausgesprochen Selbstverständlichkeit sein, weil die meisten anderen Identitäten die artikuliert werden. Aber die Selbstverständlichkeit des Männlichen ist auch ein Grund für die Datenlücke: Frauen werden nicht gesehen, und man erinnert sich nicht an sie, weil Daten über Männer den Großteil unseres Wissens ausmachen. So erscheint alles Männliche als allgemeingültig. Es führt zur Positionierung der Frauen – also der Hälfte der Weltbevölkerung – als Minderheit mit einer Nischenidentität und einem subjektiven Standpunkt." (Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert von Caroline Criado-Perez, btb Verlag, 2020, S. 47) Doch ganz gleich, was die Ursache ist, die Probleme, die sich dadurch für Frauen ergeben sind enorm. So zum Beispiel in der Medizin. Der männliche Körper gilt weiterhin als Norm. Wir wissen alles Mögliche über ihn, a er kaum etwas über den weiblichen Körper und wie dieser zum Beispiel diverse Medikamente verarbeitet. Die Medikationsempfehlungen richten sich nämlich auch nach dem männlichen Körper. Nun ist der weibliche Körper aber nun mal nicht nur eine kleinere Version des Mannes. Frauen verarbeiten manche Medikamente ganz anders, als Männer, sodass die empfohlenen Dosen mitunter gar nicht passen. Auch wurden bisher geschlechtstypische Symptome bei diversen Krankheiten fast komplett ignoriert, mit fatalen Folgen: Da Frauen nämlich bei einem Herzinfarkt oft andere “untypischere” Symptome zeigen als Männer, wird der Intakt im Schnitt deutlich später erkannt und behandelt und das Todesrisiko ist dadurch signifikant höher. Dies ist nur eins von vielen, vielen Beispiele die die Autorin in diesen Buch aufführt und mit allerhand Statistiken belegt. Es sind erschreckende Fakten die wütend machen. Umso mehr, da es für einen Großteil der Probleme ja eine denkbar simple Lösung gibt: Bezieht Frauen in die Daten ein! "Die Lösungen für die geschlechter- und genderbezogene Datenlücke liegt auf der Hand: Wir müssen die Lücke in der Repräsentation von Frauen schließen. Wenn Frauen in der Forschung und Wissensproduktion an Entscheidungsprozessen beteiligt sind, werden Frauen nicht vergessen. Die Leben und Perspektiven von Frauen werden sichtbar. Davon profitieren Frauen auf der ganzen Welt." (Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert von Caroline Criado-Perez, btb Verlag, 2020, S. 419) Verloren im Datensumpf Doch so wichtig und aufführend ich das Thema und die angesprochenen Beispiele auch fand, komme ich nicht umhin Kritik an der Präsentation der Fakten zu üben. Zum einen haben wir die schiere Menge. Die Autorin führt auf wirklich jeder Seite allerhand Studien, Belege und Statistiken an. Während ich das in einer Facharbeit begrüßen würde, ist es für ein an die Allgemeinheit gerichtetes Sachbuch schlichtweg zu viel. Schon nach den ersten Kapiteln raucht der Kopf, zumal die Fakten schon recht trocken präsentiert werden. Was mich jedoch noch viel mehr gestört hat, sind die zahlreichen Wiederholungen. Manche Statistiken werden von der Autorin, ohne Übertreibung, dutzendfach wiederholt. Ja, dass 70 % (oder 75 % ? Dafür, dass die Autorin diese Statistik gefühlt hundertmal bringt, ist sie erschreckend uneinheitlich) der unbezahlten Carearbeit von Frauen erledigt werden, ist schockierend, aber das ist noch lange kein Grund mir das alle zwei Seiten zu sagen. Danke ich habs verstanden, ich habe kein Gedächtnis wie ein Regenwurm, ich kann mir das auch ohne ständige Erinnerung merken. Auch inhaltlich wird vieles mehrfach wiederholt und in den unterschiedlichen Bereichen lediglich mit anderen Beispielen belegt, der Kern bleibt jedoch derselbe. Ich bin überzeugt, dass man das Buch problemlos um 200 Seiten hätte kürzen können, ohne dass signifikante Aussagen verloren gegangen wären. Welche Frauen? Womit man diese 200 Seiten,die ich rigoros rausgekürzt ersetzten könnte? Na mit queeren Positionen. Diese fehlen mir in diesem Buch nämlich leider völlig. Tatsächlich ist es oft nicht ersichtlich, ob die Autorin, wenn sie von Frauen spricht, nun tatsächlich alle Frauen meint, oder nur jene Wesen mit Uterus? Ich fürchte her letzteres, da sie Probleme die z. B. Transfrauen nochmal gesondert haben völlig unbeachtet lässt. Wenn sie davon spricht das (Uterus besitzende) Frauen unsichtbar seien, dann sind queere Frauen ihrer Schilderung nach quasi nicht existent. Das ist nicht nur schade, sondern problematisch! Des Weiteren geht eine Rüge an die Übersetzerin. Man kann sicherlich streiten wie und in welchem Umfang gegendert werden sollte und ich stimme auch nicht mit allen aktuell dazu geäußerten Positionen überein, aber ich denke schon, dass in einem feministischen Buch doch wenigstens grundlegend gegendert werden sollte, gerade wenn die Autorin das Problem der Sprache (mit dem Beispiel deutsch!) bereits im Vorwort erwähnt. Und noch wichtiger, ganz egal wie man sich entscheiden, es sollte doch gefälligst einheitlich sein. Tatsächlich finden wir aber im Vorwort gegenderte Formen mit * später im Text mit / und dazwischen seltsame Konstrukte wie “männliche Schüler”. In den allermeisten Fällen wird jedoch einfach gar nicht gegendert, gerade bei Berufsbezeichnungen steht fast immer die männliche Form alleine dort. Fazit: Das, was Caroline Criado-Perez in diesem Buch anspricht und genaustens recherchiert aufzeigt, ist ohne Frage wichtig und auffüllend. Nichtsdestotrotz hätte all dies auch auf 200 Seiten weniger geschildert werden können, wenn die Autorin die zahlreichen Wiederholungen vermieden hätte. Auch fehlen mir Queere Positionen in diesem Buch. Resümierend lässt sich sagen, das Buch ist sicherlich schon aufgrund seiner Thematik lesenswert, man kann aber durchaus einiges überspringen.

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