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To leave or not to leave „High Fidelity“ war einst eines meiner liebsten Bücher und ich denke immer mit warmem Gefühl an die Geschichte zurück. Kennt ihr das? Die Erinnerung an gute Bücher, die einen beeindruckt, geprägt, unglaublich abgeholt und weitergebracht haben? Jedenfalls ist „High Fidelity“ einer der Romane die so passend zu meinem damaligen Selbst erschienen. „Slam“ mochte ich, weil es die Jugend so gut vertrat, nicht mehr meine aber für mich den Inbegriff der kids damals und außerdem bin ich früher selbst mit Begeisterung Skateboard gefahren. „How to be Good“ fand ich eine gelungene Erzählung über Wunsch und Wirklichkeit und das Scheitern, sehr witzig. „About a Boy“ war zwar eine treffende Beschreibung vieler männlicher Kumpel um mich rum, ging mir aber wirklich auf die Nerven, denn den skizzierten Typus Mann, wieder sehr treffend erzählt, wollte ich nicht auch noch in der Literatur erfahren. „A Long Way Down”, naja, nicht meines, aber es ging. „Fever Pitch“, „Juliet Naked” und “Miss Blackpool” hingegen gefielen mir gar nicht. Konnten nicht packen. An „Small Country“, die Shortstories kann ich mich nicht mehr erinnern, auch kein gutes Zeichen. Mit „Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst“ ist ihm ein feines Dialogstück über eine Ehe gelungen. Nicht überwältigend aber doch solide. Gepackt und wirklich aufs Positivste überrascht hat mich jetzt „Just like you“. Jeder Dialog sitzt, witzige, ironische, dabei so wahre Sätze, eine reflektierte Protagonistin die knapp und präzise seziert was in ihrer Umwelt geschieht, dabei sich selbst immer im Blick. Es war feinsinnig, stilistisch höchst erfreulich und thematisch breit gefächert samt einem unverstellten Blick auf Teile der englischen Gesellschaft und deren ausgeprägtem Klassensystem. So spielt der Roman 2016, Großbritannien steht vor der Frage leave or not to leave. So wie die kleine Gemeinschaft der Figuren des Romans, wobei der Brexit nicht die dringlichste anstehende Frage ist. Lucy, Lehrerin, Mutter zweier Söhne, getrennt leben verlässt ihren eher intellektuell und gesettleten kosmos, als sie sich in Joseph, schwarz, zweiundzwanzig und beruflich noch orientierungslos jobbend bei ihrem Fleischer, verliebt. Nebenbei ist Joseph noch DJ, produziert seinen Song und plagt sich mit der Wahlentscheidung bezüglich des Brexits, welcher in Lucys Welt, ganz klar als Unding erscheint. Lachen musste ich oft, auch über die Szene wie Joseph Lucy tanzen sieht und sich fremdschämt. Die Blicke kenne ich von meinen Söhnen, die leider weniger diplomatisch sind. Es gibt etliche solche den Unterscheid der beiden Protagonisten thematisierende Szenen und sie sind zugleich eine Botschaft für mehr Toleranz wie auch die Mahnung sich nicht für jemanden den man liebt zu schämen. Das ist Screwball vom Feinsten, gewährt zwar keine neuen oder tieferen Einblicke wie es zum Wahlergebnis kommen konnte spiegelt dabei dennoch einen guten Teil der gesellschaftlichen Problematik wieder und erklärt den beginnenden Siegeszug des Populismus. In diesem Roman sitzt jeder Satz. Bestechend, wie Hornby, zugelich atirisch und kurz darauf herzerwärmden gefühlvoll schreibt. Wie er den alltäglichen Rassismus pointiert aufzeigt, vor dem auch Liebende nicht gefeit sind. Popliteratur kann auch so fluffig leicht daherkommen, wenn sie von jemandem geschrieben wird, der das Handwerk beherrscht und sich selbst dabei nicht so wichtig nimmt. Hornby sollte nicht unterschätzt werden. „Just like you“ ist eine erhellende Freude zu lesen. Mitfühlend und psychologisch nah dran an vielen verschiedenen Menschen, immer mit Blick auf das, was wir eigentlich brauchen um glücklich zu sein.