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claudi-1963

Posted on 7.10.2021

"Es waren häufig Analphabeten, die anderen vorgeschrieben haben, was sie tun sollten." (Gregor Brand) Bevor der 21-jährige Simon seine Freundin Amanda getötet hat und lebenslänglich inhaftiert wird, ist er in verschiedenen Heimen und Pflegefamilien aufgewachsen. Lesen und Schreiben hat er nie wirklich gut gelernt, weshalb er im Gefängnis die Chance ergreift dieses nachzuholen. Worte haben auf einmal eine ganz besondere Bedeutung für Simon und so beginnt er trotz Verbot Brieffreundschaften mit Frauen. Nach einer Schlägerei wird er verletzt und lernt Vic kennen, der gerade dabei ist sich in Charlotte zu verwandeln. Neben seinem Studium entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft. Ob und wie Simon in den 13 Jahren Haft sich gewandelt hat, das erzählt uns diese Geschichte. Meine Meinung: Mitte der 90er Jahre ist es, als die Autorin für ein Jahr in einem britischen Männergefängnis war. Dieses stand im Ruf, schwierige Gefangene und ein anstrengender Arbeitsplatz zu sein. Für die Autorin ist es ein Jahr voll harter körperlicher und geistiger Arbeit mit viel Emotionen, die sie mit diesem Buch verarbeitet hat. Dabei versuchte sie zu verstehen, was in den Häftlingen vor sich geht und warum sie ihre Tat begangen haben. In der Praxis heißt das, sie müssen lernen, die Tat einzugestehen, Reue zeigen und damit umgehen, damit man sie nach der Haft wieder in die Gesellschaft eingliedern kann. Dies erlebe ich in diesem Buch am Beispiel von Simon, der eine lebenslange Haftstrafe zu verbüßen hat. Ich tauche ein in die Gefühls- und Gedankenwelt eines Mörders und begleite ihn zu Therapien. Für Simon haben Worte eine besondere Bedeutung, ausdrücklich jene Worte, die sich auf seinen Charakter beziehen und die er sich als Tattoos auf seine Haut sticht. Dabei sind es nicht nur Negative, sondern durchaus inzwischen auch Positive, die seinen Körper zieren. Trotzdem bin ich entsetzt von der Vorstellung, sich so seinen Körper zu verunstalten, in dem man Worte wie Nutte, dumme Sau, Wichser, Spinner und viele weitere dort stehen hat. Ansonsten ist Simon eher ein schüchterner Einzelgänger, der kontrolliert und nicht gerade zugänglich ist, was seine Tat betrifft. Entsetzt bin ich von den englischen Haftbedingungen, unter denen Inhaftierten untergebracht sind. Ein Häftling hat sicherlich kein Anrecht auf ein Hotelzimmer, doch ein Eimer als Toilette, das ist schon wirklich recht primitiv. Auch wenn mitunter das Buch sehr detailliert und anspruchsvoll ist, macht es mir zunehmend Spaß mehr über die Person Simon zu erfahren. Schade nur, dass ich von seiner Vergangenheit hier nur recht bedingt erfahre. Mich hätte es interessiert, mehr zu wissen, was er da alles erlebt hat. Dagegen verwundert mich, dass er innerhalb so kurzer Zeit vom Analphabeten zum Schreiber, Literaturkenner, Leser und schließlich sogar zum Studierenden wird. Allerdings sieht man hier, dass hinter Analphabeten durchaus intelligente Menschen stecken können. Ebenso überrascht mich seine Freundschaft zu Charlotte (Vic), bei ihr scheint er seine Ängste und Befangenheit vor Frauen zu verlieren. Zum Glück ist dieses Buch nach 10 Jahren in der Schublade nun endlich veröffentlicht worden. Zwar sind manche Therapieansätze inzwischen veraltet und überholt, doch ansonsten ist sicher vieles auch heute noch aktuell. Für mich ein interessantes Buch zum besseren Verständnis und Nachdenken von Häftlingen und Haftbedingungen, dem ich 4 von 5 Sterne gebe.

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