gachmuret
Der Ausgangspunkt dieses faszinierenden Romans ist die Frage: Was wäre, wenn? Was wäre, wenn das unwahrscheinlichste Szenario, das so unwahrscheinlich ist, dass seine Spezifikationen unbekannt sind, eintritt? Was wäre, wenn etwas passiert, womit niemand rechnen kann? Genau für diesen Fall haben zwei Spezialist:innen ein Handlungsmodell entwickelt. Eine Fallback-Lösung für die Weltpolitik, sozusagen. Und viele Jahre, nachdem die beiden - durchaus mit jugendlichem Überschwang - das »Protokoll 42« entwickelt haben, tritt es in Kraft. Weil eine Boeing, die vor 3 Monaten gelandet ist, noch einmal landet. Exakt dasselbe Flugzeug, mit exakt denselben Passagieren. In Star Trek II antwortet Spock auf die Frage, wie seine Kadetten in einer echten Bewährungssituation reagieren würden, mit der Aussage: »So wie alle Lebewesen, jedes nach seinen Fähigkeiten.« Und genau das führt Le Tellier hier vor: Konfrontiert mit einer unvorstellbaren, kaum fassbaren Herausforderung, reagieren seine Figuren, wie es ihnen entspricht. Das Ergebnis ist ein wunderbares Kammerspiel, das sein Publikum herausfordert. Zu den größten Gefahren, ein Buch misslingen zu lassen, gehört ohne Zweifel: Zu viel auf einmal wollen. Entscheidungstheorie, Physik, Soziologie, Ethik, Metaphysik und was einem sonst noch so über den Weg läuft, verrühren und dann in einen Roman packen. Daran sind schon viele Autor:innen gescheitert. Hervé Le Tellier scheitert nicht - und sein Roman gelingt deshalb, weil seine Figuren im Vordergrund stehen. Weil er sie agieren lässt. Ich bin sehr fasziniert und bin sicher, dieser Roman liefert Stoff für zahlreiche Gespräche.