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gachmuret

Posted on 5.10.2021

Es verändert sich etwas in der Welt. Das merkt auch Hans Benedek, »Edelfeder« und hochprivilegierter Journalist. Aber: Er ist der festen Überzeugung, diese Veränderungen in der Welt haben mit ihm selbst wenig zu tun - seine Position, seinen Status hält er für unantastbar. Und aus dieser Position heraus agiert er, selbstsicher und keineswegs uncharmant. Zwar merkt Benedek, dass er nicht mehr ganz so nah am Puls der Zeit ist wie früher, er auf einmal Themen hinterherläuft, statt sie zu setzen, aber das ist kein Problem, das sich nicht mit ein paar Mittagessen und ein paar Gesprächen nebenher lösen ließe. Und tatsächlich: Der Zufall will, dass er ein Portrait über die gefragteste junge Feministin des Landes schreiben soll. Von da an allerdings geht es rapide bergab und dass die Mittagessen, Einzelzimmer und Autofahrten nicht mehr ungefragt gebucht oder bezahlt werden, ist dann fast nur noch Nebengeräusch. Viel verheerender wirkt sich aus, dass alle seine Mechanismen nicht mehr funktionieren, die Netzwerke versagen, die Quellen versiegen und die Selbstverständlichkeit seines Auftretens, Denkens und Schreibens ihn in die Katastrophe statt zum Triumph führen. Johanna Adorjan lässt uns an dieser neuen Erfahrung in Hans Benedeks Leben intensiv teilhaben. Sie schildert, wie ihr Protagonist - ganz im Sinne eines tragischen Helden - ins Verderben rennen muss. Das aber stilistisch so leicht und unbekümmert, dass ich doch beinahe bis zum Schluss auf Errettung, ja Erlösung des Helden wartete. Das Buch ist ein wirklich gelungener Abgesang auf den Typus des alten weißen Mannes, so charmant, dass selbst alte weiße Männer lächeln dürften. Und das ist ohne Zweifel eine hohe Kunst. Ich hätte mir aber mehr Figurenentwicklung oder vielleicht mehr Bissigkeit gewünscht, so genau weiß ich es auch nicht. Aber alles in allem plätschert mir der Roman zu sehr dahin.

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