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Marcus Jordan

Posted on 4.10.2021

Das Buch geht mich gar nicht so richtig was an. Ein wenig habe ich mich sogar altersdiskriminiert gefühlt. Als man jung war und Bücher las aus Lebenswelten älterer Menschen, fühlte man sich irgendwie nicht ausgeschlossen, sondern überlegen. Ich dachte damals "aha interessant...mal sehen, wie das wird und ich kann es ja dann besser machen". Wenn ich jetzt lese über diese Lebenswelt in einer Phase des endgültigen Erwachsenwerdens, dann fühle ich mich durchaus etwas ausgeschlossen oder unbeteiligt oder vielleicht einfach alt. Irgendwie fühlt es sich so an, als ob ich was besser weiß, was ich lieber nicht wüsste. Man darf sich nicht einlullen lassen von den ersten Kapiteln...irgendwie geht es holprig los, aber das Buch steigert sich permanent bis zum Ende und baut eine sehr besondere Spannung auf. Manchmal dachte ich, es könnte jetzt gut abbiegen in einen Psycho Thriller und irgendwie ist es auch einer, aber halt ohne Crime. Sex hat es dafür einigen und ich mochte ihn. Er wird so schlüssig und unaufgeregt erzählt, ganz ohne Kitsch und Verklärung und dadurch glaubhaft und durchaus romantisch und erotisch. Da ist man auch schon gleich bei dem, was mich wirklich beeindruckt bei Rooney - es kommt zum Sex und Rooney bekommt es hin, dass man weiß warum die daran Beteiligten ihn wollen. Ich finde es enorm, wie Rooney so völlig unterschiedliche Menschen erstmal erfindet, dann so tief und glaubhaft beschreibt und denken und sprechen lässt und sie dann auch noch so dramaturgisch geschickt interagieren lässt. Das ist große Kunst meiner Ansicht nach. So viel Handlung braucht es dann auch gar nicht. Eine komplizierte Jugendliebe, die sich irgendwie sperrt gegen offensichtliches Glück, die irgendwie die tiefhängenden Früchte nicht ernten will. Eine Frauenfreundschaft, die man als Leser eigentlich nie anzweifelt, die aber auch Widerstände haben will, weil sie sich sonst vielleicht nicht entwickelt. Und eine Figur aus einem fremden Milieu, die so eine Art Kristallisationspunkt ist und den Verwirrten hilft zu eskalieren. Rooney ist garantiert ein netter Mensch. Empathisch, neugierig, menschenverliebt. Das macht dann auch noch, dass das Buch emotionale Wellness-Qualitäten hat. Dafür stochert Rooney immer wieder in Religion und Glauben herum und ist dabei so intellektuell unsouverän, wie man es eben sein muss, wenn man darin rumstochert. Jedenfalls glaubt sie an die Liebe und die löst also auch alle Depression, alle Verzweiflung, alle Neurosen und macht nicht alles gut, aber doch immerhin, dass es gut sein kann, auch wenn man mal nicht so genau weiß warum. Wissen wir ja eh oder? Tut aber gut, wenn es mal jemand so wortgewaltig sagt.

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