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Dreamworx

Posted on 3.10.2021

"Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit." (Karl Kraus) 1929 Frankfurt. Die Blankenburgs stehen für eine alteingesessene Porzellandynastie, die mit ihrem weißen Gold viel Geld verdient. Doch der Börsencrash am schwarzen Freitag bringt das Imperium kräftig ins Wanken, erst bringt sich Elises Ehemann Richard um, weil er das Vermögen der Familie verspekuliert hat. Als sich auch noch das Familienoberhaupt, der Patriarch Aldamar aus dem Leben stiehlt, bleibt die Verantwortung über das Schicksal des Unternehmens an den Schwestern Elise und Ophelié hängen, die schon seit Kindertagen erbitterte Gegnerinnen sind und nun auch noch wegen dem Erbe im Clinch liegen. Elise hat keinerlei Geschäftssinn, und Ophelié ist mit einem französischen Lebemann verheiratet, der zwar wohlhabend ist, aber Frankreich nie wieder betreten darf. Plötzlich steht auch noch Tante Arabella auf der Türschwelle und gibt sich die Klinke in die Hand mit dem unehelichen Sohn von Otto Blankenburg, Tankred Schamitzke, der ebenfalls seinen Teil vom Erbe beansprucht. Ausgerechnet Arabella hat die zündende Idee, eine Fusion mit dem bisher verfeindeten Unternehmen von Isaac Löwenkind einzugehen. Allerdings erhalten gerade die Nazis in Deutschland genügend Auftrieb, so dass es nicht nur für Löwenkind brenzlig wird… Eric Berg hat mit „Die Blankenburgs“ ein historisches Familienepos vorgelegt, das mit Intrigen und Streitigkeiten vor dem Hintergrund des erstarkenden Nationalsozialismus in Deutschland gut zu unterhalten weiß. Mit flüssigen, farbenfrohen und humorigen Erzählstil lässt der Autor, der normalerweise eher durch seine Kriminalromane bekannt ist, den Leser ins 19. Jahrhundert reisen, um dort in die Residenz der Blankenburgs einzuziehen und sich den Befindlichkeiten der einzelnen Familienmitglieder zu stellen. Dort gibt es nicht nur genügend Aufregung durch die Fehlspekulationen, die das Porzellanimperium monetär zum Kippen bringen, auch die beiden feigen Freitode setzen den Rest der Familie gehörig unter Druck, den Status Quo wegen des Rufs nach außen aufrecht zu erhalten, während man unter sich die Messer wetzt. Sowohl Elise als auch Ophelié haben aufgrund ihrer eigenen Fehde keinen klaren Kopf, da ist es geradezu ein Glücksfall, dass die umtriebige und forsche Arabella die Zügel in die Hand nimmt, um die Geschicke wieder in normale Bahnen zu bringen. Doch gerade das politische Klima und der undurchsichtige Neuverwandte Tankred mit seinen anrüchigen Freunden bringen die Familie, vor allem aber den neuen Geschäftspartner schon bald in neue, unvorhersehbare Schwierigkeiten, weil sie sich dem braunen Sumpf der Nazis anschließen. Der Autor hat den historischen Hintergrund sehr gut recherchiert und diesen mit seiner Handlung wunderbar verwebt, so dass der Leser sich in der damaligen Realität wiederfindet. Ergänzt wird dieser opulente Schmöker eingangs zudem mit einer Familientafel, so dass man alle Verbindungen untereinander sehr gut nachvollziehen kann und deren Geheimnisse peu-à-peu ans Tageslicht fördert. Die Charaktere sind facettenreich und lebendig gezeichnet, sie wirken durchweg authentisch und realitätsnah. Es wird dem Leser leicht gemacht, sich seinen Favoriten herauszupicken, während er die Geschicke der einzelnen Protagonisten verfolgt. Elise wirkt wie ein ängstliches Häschen, das sich nie entscheiden kann und immer geführt werden will, während ihre Schwester Ophelié eher Haare auf den Zähnen hat und partout ihren Willen durchsetzen will. Arabella ist durchsetzungstark, clever und behält die Contenance. Tankred ist ein schmieriger Typ, der sich anbiedert und die Hand aufhält. Isaac Löwenstein ist ein zurückhaltender Mann mit Geschäftssinn. Aldamar war ein lauter, unbarmherziger Klotz, dem niemand eine Träne nachweint. „Die Blankenburgs“ ist ein wunderbarer Schmöker voller Intrigen, Familienfehden, Liebe und Verlust vor der Kulisse des Nationalsozialismus. Sehr unterhaltsam und mit Kopfkinogarantie! Absolute Leseempfehlung!!!

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