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mabuerele

Posted on 30.9.2021

„...So selbstbewusst wie du wollte ich immer sein...“ Sie klingen bitter, die Worte von Hermine. Sie ist in einer unglücklichen Ehe gefangen und traut sich nicht, sich gegen ihren Mann aufzulehnen. Ihre Schwester Lene hat zwar auch eine harte Zeit hinter sich, nun aber das Leben in die eigenen Hände gekommen. Nach dem Unfalltod ihres Mannes am Freihafen und dem Tod des Vaters arbeitet sie wieder als Lehrerin. Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen. Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Wir befinden uns in Bremen des Jahres 1890. Die Stadt entwickelt sich zu einem Treffpunkt für diejenigen, die nach Amerika auswandern wollen. Friedrich Missler hat eine Auswandereragentur gegründet. Er betreut die Menschen, sorgt für Unterkunft und Arbeit, bis sie das Geld für die Reise zusammen haben. Die Personen werden gut charakterisiert. Lene gibt neben ihrer Arbeit Kindern Unterricht, deren Eltern auswandern wollen. Es sind in der Regel nur noch wenige Deutsche. Die meisten kommen aus dem Osten des Kontinents. Die Armut in Polen und die Pogrome in Russland sind Motive, ein neues Leben zu beginnen. Georg ist Journalist. Er schreibt Artikel über die Unterkünfte für Ausreisewillige. Dabei lernt er Lene kennen, die häufig bei Elsa ist. Georg begründet die Wahl seines Themas so: „...Es geht mir nur um die Vielfalt der Menschen, die unsere Stadt für einen Zwischenaufenthalt aufsuchen, bevor sie die Reise zu ihrem eigentlichen Ziel fortsetzen...“ Durch Zufall bekommt Georg einen Text von Lene in die Hand. Er möchte, dass sie Artikel für seine Zeitung schreibt. Verlobt ist er mit Luise, einer verwöhnten Tochter des Reeders. Luise bekommt immer, was sie will, und sie will Georg, auch wenn ihr Vater nicht begeistert ist. Positiv fällt mir Luises Mutter auf. Sie lässt sich nicht unterbuttern und kennt keinen Standesdünkel. „...Es ist nicht jeder so privilegiert wie wir, liebe Luise, und es kann daher nicht schaden, wenn wir manchmal daran erinnert werden...“ Sehr detailliert werden die Zeitverhältnisse dargestellt. Dabei geht es insbesondere um die Stellung der Frau. Als Lene noch verheiratet war, durfte sie nicht als Lehrerin arbeiten. Nach dem Tode ihres Mannes ist sie mit ihrer Ausbildung im Vorteil. Vielen Witwen bleibt nur die Fabrik oder ein Dasein als Dienstmädchen. Beides wird im Buch mit den entsprechenden Schattenseiten thematisiert. Hermine, die nach dm Tod des Vaters fast überstürzt geheiratet hat, um versorgt zu sein, erlebt nun einen gewalttätigen Mann, der auf seine Rechte pocht und gern dem Alkohol zuspricht. Natürlich hat Lene noch nicht vollständig mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen. Ihre Ehe mit Ludwig war glücklich. Das kommt auf den ersten Seiten des Buches deutlich zum Ausdruck. Beide hatten noch Pläne. Elsa, die eine Herberge für Ausreisewillige leitet, und besonders Frauen aufnimmt, damit sie nicht in falschen Fahrwasser geraten, ist für Lene eine mütterliche Freundin, die ihr auch deutlich die Meinung sagt. „...Das ist das Leben, meine liebe Lene. Manchmal ist es wunderschön, und im nächsten Moment zieht es uns mit all seiner Grausamkeit in einen Abgrund, den wir uns schlimmer kaum vorstellen können...“ Tiefgründige Gespräche über die Rechte der Frauen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Obwohl sich Lene für fortschrittlich hält, muss sie sich sagen lassen, dass sie vor zu vielen die Augen verschließt. Die Mädchenschule, an der Lene unterrichtet, ist in vielen Dingen ihrer Zeit voraus. So wird dort Turnunterricht angeboten, der anderenorts für Frauen verpönt ist. Ein ausführliches Nachwort vertieft die angesprochenen Themen. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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