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Buchdoktor

Posted on 28.9.2021

Catherine Raven hat u. a. Zoologie studiert und arbeitete als Park Rangerin und freiberufliche Dozentin. Außerhalb des Hörsaals spricht sie normalerweise nicht, weil sie mit Menschen keine guten Erfahrungen gemacht hat. Seit sie mit 15 ihre Familie verließ, hat die Autorin immer allein gelebt und ihren Unterhalt z. B. als Back-Country-Guide in amerikanischen Nationalparks verdient. Als sich vor ihrer einsam in Montana gelegenen Hütte regelmäßig ein Fuchs einfindet, sollte eine erfahrene Rangerin sich fragen, ob er verletzt oder krank ist; denn Füchse lassen sich nur selten domestizieren. Trotz des Gefrotzels ihrer Kollegen und Kursteilnehmer geht Catherine Raven mit „Fuchs“ jedoch eine so enge Beziehung ein, dass man ihn für ihren Partner halten könnte. Immerhin akzeptiert Raven, dass nicht die Frau ein wildes Tier in ihr Revier bei der Hütte mit dem blauen Dach lässt, sondern dass „Fuchs“ sie in seinem Territorium zulässt, das er übernommen hat, nachdem seine Mutter ihn aus ihrem Revier verjagte. Ravens Beziehung zu ihrem Besucher nimmt durchaus exzentrische Züge an, wenn sie ihm aus dem „kleinen Prinzen“ vorliest oder behauptet, sie müsse seine angebliche Räude mit Knoblauch behandeln, den sie ihm verpackt in aufgeschlagene rohe Eier verabreicht. Aus der Perspektive der Icherzählerin wird jedoch deutlich, dass hier eine Einzelgängerin - unbewusst - Zugehörigkeit im System der Nationalparks sucht, die sie sonst Menschen gegenüber nicht empfinden kann. Dieses System schützt mit strengen Regeln einerseits Wildnis und leitet Touristenströme gezielt an Stellen, an denen Menschen Natur erleben und von Rangern unterrichtet werden sollen. Welche Parks Ravens Vorstellung von Wildnis prägten (Glacier, North Cascades, Mount Rainier) fand ich hoch interessant, aber auch ihre Beziehungen zu wenigen Kollegen, die sie besser zu kennen schienen als sie sich selbst. Die Begegnung mit „Fuchs“ dient Catherine Raven als Brennglas, mit dessen Hilfe sie über eine andere Art von Wildnis sinniert, nachdem sie aus der Wildnis in der Nähe von Menschen gewaltsam vertrieben wurde. Mit Fuchs und Raven treffen zwei Lebewesen aufeinander, die ganz und gar nicht typisch für ihre Spezies sind. Ob Heinrich mit der Eule, Macdonald mit dem Habicht oder Konrad Lorenz mit Graugänsen – Menschen, die in Zweierbeziehung mit einem wilden Tier leben, wirken höchst exzentrisch. Catherine Raven steht ihnen darin nicht nach.

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