kingofmusic
Alles andere als eine lustige Seefahrt In schöner (Un-)Regelmäßigkeit werde ich von der Autorin Marianne Labisch zu Leserunden zu Veröffentlichungen des p.machinery-Verlags eingeladen. So auch zu „Die Fahrt der Steampunk Queen“. Nun ist Steampunk nicht unbedingt ein Genre, was ich regelmäßig lesend bediene, aber Einladungen in gesellige Runden lehne ich ungern ab *g*. „Die Fahrt der Steampunk Queen“ ist ein Episodenroman und ist aus traurigem Anlass heraus entstanden. Die Autorin Susanne Haberland starb im April vor 5 Jahren und war eine gute Freundin von Marianne Labisch. In Gedenken an die „Steampunk Queen“ wurde verschiedenen Autor*innen eine Anfrage geschickt, ob sie sich an eben jenem Projekt beteiligen wollen. Eine großartige Idee, wie ich finde! Zumal Marianne Labisch im Vorwort erklärt, dass Verlage posthume Veröffentlichungen von Susanne Haberland abgelehnt hätten, was ich beim besten Willen nicht verstehen kann. Aber gut – gerade in der heutigen Zeit ist vieles unverständlich… Dem Aufruf folgten schließlich ein paar Autorinnen und Autoren (der ein oder die andere kenne ich auch schon von anderen Veröffentlichungen des Verlags). Und so trug jede*r seinen Teil zu diesem Episodenroman bei. Dabei gab es mit der Liste und entsprechenden Illustrationen des Personals nur die „Vorgabe“, wie die Personen aussahen; daran konnten sich alle orientieren. Mehr zu den Illustrationen weiter unten. Worum geht´s? Während der Jungfernfahrt der „Steampunk Queen“ passieren einige merkwürdige Dinge an Bord des neuartigen Schaufelradbaggers (die Geschichte ist um 1920 herum angesiedelt). Es gibt mysteriöse Todesfälle und Passagiere verschwinden einfach von der Bildfläche. Ein Wesensmerkmal des Steampunk ist (wohl), dass dort technische Neuerungen respektive Erfindungen einfließen können, die es zur Zeit der Geschichte noch gar nicht gab – ein „Umstand“, an den ich mich erst einmal gewöhnen musste. Und so befindet sich unter den Passagieren mit Odilius Terstedt ein Android, der mit zutiefst menschlichen Gefühlen „ausgestattet“ ist (Ansgar Sadeghi – „Ohne Volldampf in die Zukunft“) oder ein Schachcomputer (Arno Endler – „Das Scheitern des Erfinders“; eine Geschichte, die mich am Ende tief berührt hat). Einige Episoden waren zum Gruseln (zart besaitet sollte man z. B. bei der Lektüre der Geschichte „Ours Magique oder Der magische Bär“ von Susann Obando nicht sein *g*), andere bringen einen zum Nachdenken über verschiedene gesellschaftliche und politische Zusammenhänge (Beispiel hierfür: „Wer ist Peter?“ von Felix Woitkowski) und wieder andere (Marianne Labisch – „Das Tagebuch der Laura März“) einfach zum Lachen. Und auch Fans von kafkaesken Geschichten kommen mit „Eidolon“ von Sascha Dinse auf ihre Kosten. Ich zähle jetzt nicht alle Episoden auf, aber auch Rainer Schorm, Christian Künne, Andreas Flögel, Frederic Brake sowie Eska Anders tragen mit ihren Geschichten auf die ein oder andere Art zum Gelingen dieses literarischen Experimentes bei. Dass nicht jede Geschichte bei jedem Leser gleich zündet, sollte verständlich sein. Abgerundet wird das Ganze von Illustrationen (im Anschluss jeder Geschichte) von Gerd Scherm, der Schlüsselmomente „herausgearbeitet“ und entsprechend illustriert hat. Auch hier gilt: nicht alles trifft (natürlich) den persönlichen Geschmack und sollte aber zumindest anerkannt werden. Und auch die Passagiere und Besatzungsmitglieder wurden illustriert; lt. den Herausgebern hatten sie bei der Gestaltung viel Spaß, was ich nach Betrachten der einzelnen Fotos durchaus unterstreiche – auch wenn ich nicht persönlich dabei war *g*. Und so gibt es für eine (fast) komplett gelungene „Geschichte“ 4 stahlgehärtete und glänzende Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die abseits des Mainstreams etwas Unterhaltung suchen. ©kingofmusic