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hyperventilea

Posted on 19.9.2021

Von Schwierigkeiten mit dem Lesen und wahrem Zusammenhalt - ein Freundschaftsabenteuer, das Mut macht Leo lebt in Köln-Chorweiler, im 15. Stock eines Mehrfamilienhauses, in dem auch Lucy wohnt, seine beste Freundin, die im Rollstuhl sitzt. Leo weiß nicht nur eine ganze Menge über Planeten, Weltraum und das Universum, er ist auch ein begeisterter Skater. Leider ist sein eigenes Schrottboard ziemlich alt. Leo braucht dringend ein neues Board, er träumt vom XW 90. Das gibt es zufällig bei einem Vorlesewettbewerb zu gewinnen. Also beschließt Leo an dem Wettbewerb teilzunehmen, das Board zu gewinnen und anschließend beim Skaterwettkampf soviel Geld zu kassieren, dass er Lucy davon einen neuen Sportrollstuhl kaufen kann. Die Sache hat nur einen gewaltigen Haken, Leo kann sehr schlecht lesen, alle Buchstaben verschwimmen vor seinen Augen und er gerät beim Vorlesen permanent ins Stottern. Während Leo fleißig seine Lesefähigkeit trainiert, muss er sich noch mit anderen Problemen herumschlagen: In der Nachbarschaft werden Hunde entführt und Mama hat einen neuen Freund. Rebecca Elbs schreibt in der ersten Person Präsens aus Leos Sicht. Ihre Sprache ist recht authentisch, liest sich wie das Tagebuch eines Zwölfjährigen. So verwendet sie sehr häufig das Wort „dermaßen“ oder den Ausdruck „fett grinsen“, eher umgangssprachliche Redewendungen. Sehr originell sind die Kapitelüberschriften. Jedes Kapitel ist mit einer Regel betitelt wie z.B. „Regel 5: Was man sich wünscht, muss man gehen lassen- wie Watruschki-Teig“. Julia Christians hat zur Geschichte einige wenige Illustrationen gezeichnet. Ihre charakteristischen, individuellen Figuren mit den auffälligen Mündern sind witzig anzuschauen. Die Kapitel haben unterschiedliche Längen, im Großen und Ganzen aber einen recht übersichtlichen Umfang. Die Schrift ist zur besseren Lesbarkeit minimal größer gedruckt. Kinder ab zehn Jahren werden das Buch sicher alleine bewältigen können. Hauptfigur Leo hat es wirklich nicht leicht. Seine Mutter hat wenig Zeit für ihn, den Vater kennt er nicht, nur in seinen Träumen. Als leidenschaftlicher Skater muss er sich mit einem Schrottboard zufrieden geben und in der Schule wird er von seinen Mitschülern schikaniert, weil er nicht richtig lesen kann. Auch sein Lehrer unterstützt ihn nicht. Leo glaubt zwar irgendwie daran, dass er das mit dem Lesen noch hinkriegt, aber manchmal fällt er auch in ein schwarzes Loch und verliert die Beherrschung. Für mich war Leo als Charakter zwar nachvollziehbar, aber stellenweise empfand ich sein Verhalten nicht unbedingt als sympathisch. Manche Personen, die es gut meinen, stößt er ziemlich vor den Kopf. Leo entwickelt sich allerdings im Verlauf der Handlung, er zeigt Mut. Mut, unangenehme Dinge zu tun und Mut, sich für Fehler zu entschuldigen. Leos Freundin Lucy ist eine wunderbar erfrischende Figur. Sie sitzt im Rollstuhl, lässt sich aber davon nicht unterkriegen. Sie weiß immer das Richtige zu sagen, hilft Leo, wo sie kann, hat Verständnis für ihn und ein Talent, Menschen zu überzeugen. Lucy ist eine tolle Freundin, auf die sich Leo verlassen kann. Auch Lucys Eltern die Blinows, die aus Russland stammen, sind für Leo da, versorgen ihn nicht nur mit russischen Backwerken. Die Spaghetti-Bolognese-Mittwoche bei den Blinows gehören für Leo dazu, sind wie ein festes Ritual, ja fast ein Stück Heimat. In Leos Haus wohnen viel Originale wie Frau Milchmeyer oder Herr Möllmenner, die sich ebenso auf ihre Art um Leo kümmern. Und dann gibt es in Leos Klasse noch jemanden, dem er wichtig ist. Leo ist nicht allein. Rebecca Elbs hat ein Händchen für Figuren, sie hat sich viele nette, originelle Persönlichkeiten ausgedacht. Wird Leo tatsächlich den Vorlesewettbewerb gewinnen? Der Weg zum Wettbewerb ist mit vielen Schwierigkeiten gepflastert. Neben dem Thema Legasthenie geht es um viele weitere Themen wie Mobbing und Ausgrenzung, Wut, Analphabetismus, Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung. Der Plot entwickelt sich oft ziemlich überraschend und Leo erkennt, auf wen er sich wirklich verlassen kann. Die „Insel“ Köln-Chorweiler ist für Leo durch die Leute, die für ihn da sind, wie ein Anker. Wie Leo ist auch seine Geschichte sehr phantasievoll. Die Sache mit dem schwarzen Loch und seine Angst kommt allerdings anfangs ein wenig abstrakt herüber. Auch sind manche Handlungsstränge wie der Welpenklau vielleicht etwas zu viel des Guten und werden für meine Begriffe nicht ganz zufriedenstellend aufgelöst. Trotzallem ist Leo und Lucy eine herrlich einfallsreiche, warmherzige und einfühlsame Geschichte übers Anderssein, Stärken, Schwächen, Freundschaft und Toleranz. Es hat Spaß gemacht, Leo und seine Welt kennenzulernen.

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