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Posted on 18.9.2021

"Was Schildkröten im Schilde führen" war eine persönliche Empfehlung von Elisa vom Piper-Bloggerteam, die mir als großer Fan der Känguru-Reihe von Marc-Uwe Kling diese Neuerscheinung aus ihrem Programm besonders ans Herz gelegt hat. Wer das kommunistische Känguru mochte, wird auch die umweltaktivistische Schildkröte feiern, hat sie prophezeit. Und sie hatte absolut recht: Maria Keims Roman ist mindestens genauso witzig und gesellschaftskritisch wie Marc-Uwe Klings Känguru-Reihe und wurde schon nach wenigen Seiten zum Herzensbuch! "Größe sagt doch nichts darüber aus, wie erwachsen zu bist. Das ist so typisch. Die Welt wird regiert von großen Kindern, und niemand interessiert sich für die kleinen Erwachsenen." Schon die äußere Gestaltung des Romans ist ein Volltreffer. Auf dem Cover zu sehen ist eine grüne Schildkröte mit roter Strickmütze, auf der der Slogan "There is no planet B" schon einen Hinweis auf den Lebensplan des Panzertiers gibt. Der Star der Geschichte ist auch zu Beginn von jedem zweiten der insgesamt 26 Kapiteln abgedruckt. Passend zur wichtigen Botschaft des umweltaktivistischen Reptils ist der Roman übrigens klimaneutral produziert und ich habe mich sehr über die Blumensamen zum Säen einer Blumenwiese und den Statement Jutebeutel aus Biobaumwolle gefreut, welche zusätzlich zu meinem gebundenen Exemplar des Buches im Paket aufzufinden waren. „WECHSELWARMES KRIECHTIER SUCHT EINSIGARTIGE WOHNGEMEINSCHAFT MIT MÖGLICHST K(L)EINEM ÖKOLOGISCHEN FUSSABDRUCK! PS: Nieder mit der Kohle“ Mit einem pappigen Pappplakat mit dieser Aufschrift erregt eine kleine grüne Schildkröte vor dem Kölner Dom die Aufmerksamkeit der jungen Schülerin Marlin. Kurzerhand nimmt sie das plappernde Kriechtier mit zu sich nach Hause, wo sie zusammen mit ihrer Oma, die leider seit dem Tod ihres Mannes den Dusel hat, und ihrem immerzu arbeitenden Vater lebt. Was diese Schildkröte im Schilde führt ist ziemlich schnell klar: sie will die Welt verändern. Und weil sie trotz ihrer Plakate und wilden Reden nicht an die großen Stellschrauben des Weltgeschehens herankommt, krempelt sie einfach kurzerhand Marlins Leben um. Schneller als sie "Pappplakat" buchstabieren kann ist die sonst introvertierte Außenseiterin die Leiterin einer brandneuen Umwelt-AG, achtet auf ihre Ernährung und nötigt ihren Vater, auf dem Weg zur Arbeit mal das Fahrrad zu benutzen. Und schon bald wird ihr klar, dass große Veränderungen oft ganz klein beginnen... "Ihr Menschen scheint immer erst dann zu handeln, wenn das Handeln zu spät ist. Die Erde brennt bereits. Da spielt es keine Rolle, wer Schildkröte und wer Mensch ist. Ich muss diesen Super-GAU verhindern." "Bin stolz auf dich, Schildi." "Nenn mich nicht Schildi. Das ist entwürdigend." Maria Keim erzählt hier eine liebenswerte Geschichte über Familie, Freundschaft, Verantwortung, Klimakrise und die Wichtigkeit von kleinen Schritten, die man einfach lieben muss. Dabei setzt sie vor allem auf drei magische Komponenten, die "Was Schildkröten im Schilde führen" zu einem besonderen Erlebnis machen: Humor, Herz und Inhalte. Egal ob durch witzige Schlagabtäusche mit der vorlauten Schildkröte, verrückte Aktionen von Marlins vom Dusel geplagten Oma, die die Schildkröte gerne mal mit dem Salzstreuer verwechselt oder wahnsinnig schlecht geplante Protestaktionen, die in Desastern enden - der Roman lädt regelmäßig zum Lachen oder zumindest zum Schmunzeln ein und setzt dabei auch auf gewitzte Wortwitze und Insidergags. Der offensichtliche Star der Geschichte ist dabei natürlich die Schildkröte. Das vorlaute Reptil das es "entwürdigend" findet, Schildi genannt zu werden, gerne im lauwarmen Tee herumpaddelt und gerne mal gigantische Muskelprotze auf dem Polizeirevier in Grund und Boden diskutiert muss man einfach ins Herz schließen. "Meine Oma hält die Schildkröte gefährlich nah über ihr flüssiges Eigelb und schüttelt sie heftig. "Loslassen!", kreischt das Kriechtier. "Das ist entwürdigend!" Meine Oma hält inne und sieht mich verdutzt an. "Sverre", ruft sie. Wie so oft verwechselt sie mich mit meinem Vater, aber das bin ich mittlerweile gewohnt. "Ich glaube, ich bin verrückt geworden." Vorsichtig legt sie die Schildkröte in den Brotkorb. "Der Salzstreuer spricht mit mir." Die zweite Zutat neben dem grandiosen Humor ist die regelmäßig ans Herz gehenden Situationen, die Maria Keim im Miteinander der Figuren entstehen lässt. Marlin erzählt in den 26 kurzen, kindgerechten, aber dennoch sehr wichtigen Kapiteln aus der Ich-Perspektive nämlich nicht nur, wie die Begegnung mit einer Schildkröte ihr Leben umkrempelt, sondern auch, weshalb sie es nicht ganz leicht hat. Ihr Vater ist ein vielbeschäftigter Arzt, sodass seitdem ihre Mutter abgehauen ist, fast alle Hausarbeit an ihr hängen bleibt. Sie kauft also (nach einem kaum lesbaren Einkaufzetteln - denn die Handschrift von einem Arzt ist bekanntlich nur für seinesgleichen entzifferbar) ein, kocht, wäscht und passt zusätzlich noch auf ihre Großmutter auf, deren immer schlimmer werdende Demenzerkrankung sie liebevoll "den Dusel" nennt. Auch in der Schule hat sie nicht besonders viel Unterstützung und ist mit ihren Strickmützen, der Latzhose und den versteckten Ohrstöpseln eine viel ignorierte Einzelkämpferin. Das ändert sich erst, als sie durch die Schildkröte zusammen mit dem beliebten Mitschüler Tim die Umwelt AG gründet. Trotz der geringen Seitenzahl macht Marlin eine starke Entwicklung durch. Wie sie Schritt für Schritt aufzublühen beginnt und sie durch Schildi (sorry, ich weiß, das ist entwürdigend) gespiegelt bekommt, dass sie eigentlich noch ein Kind ist und zuhause auch die Chance haben sollte, eines zu sein, ist toll mitanzusehen. "Ihr raucht die Erde wie Zigaretten!", keucht sie. "Begeht eine Sünde für einen Augenblick des Genusses. Verschwendet keinen Gedanken daran, dass ihr den unfreiwilligen Passivrauchern dabei genauso den Tod näherbringt wie euch selbst!" Die dritte Zutat, die "Was Schildkröten im Schilde führen" komplett macht, sind die Inhalte. Der Roman ist nämlich zwischen den Zeilen angefüllt mit vielen wichtigen Informationen, Zusammenhängen und Anregungen. Hier geht es ganz nebenbei um den Treibhauseffekt, Rohstoffe, Massentierhaltung, erneuerbare Energien, den ökologischen Fußabdruck, die Abholzung des Regenwaldes, Globalisierung, Artensterben und vieles mehr. Durch kleine Analogien, Erklärungen und anschauliche Beispiele werden diese komplexen Themen einfach erklärt, sodass auch Kinder sie verstehen können, aber dabei so konkret, dass auch Erwachsene von der Perspektive profitieren können. Neben den Informationen ist es aber vor allem die Message des Buches, das meine Anerkennung gewonnen hat und mit der ich auch meine Rezension beenden möchte: "Man kann die Welt nicht von jetzt auf gleich retten, auch wenn die Klimaaktivisten sich das so wünschen. Das funktioniert nur Schritt für Schritt. Das Wichtigste ist: Aufhören zu reden und anfangen zu handeln, verstehst du? Langsam sein ist okay, solange du niemals stehen bleibst." Fazit: Maria Keim erzählt hier eine liebenswerte Geschichte über Familie, Freundschaft, Verantwortung, Klimakrise und die Wichtigkeit von kleinen Schritten. "Was Schildkröten im Schilde führen" ist mindestens genauso witzig und gesellschaftskritisch wie Marc-Uwe Klings Känguru-Reihe und wurde schon nach wenigen Seiten zum Herzensbuch! PS: Einen halben Stern Abzug gibt es für das leicht übertriebene und plakative Ende, sodass ich bei 4,5 Sternen lande.

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