marcello
Kevin Brooks hat meine Jugendzeit definitiv entscheidend begleitet, da ich Büche wie „Lucas“ oder „Candy“ von ihm wirklich gerne gelesen habe, da sie für dieses Alter schon sehr wichtige Themen ansprechen, ohne aber für die Zielgruppe völlig überfordernd zu agieren. Hinterher habe ich Brooks leider etwas aus den Augen verloren, weswegen sein neuer Roman „Bad Castro“ irgendwie wie ein Zeichen war. Ich sah seinen Namen und wusste, dass es mal wieder Zeit ist, in seine Stilistik einzutauchen und herauszufinden, wofür der aktuelle Brooks so steht. Vielleicht war „Bad Castro“ insgesamt nicht die cleverste Wahl, denn es ist ein sehr kurzer Roman, der teilweise sogar zwischen Roman und Kurzgeschichte schwankt. Das war natürlich dementsprechend kein besonders langanhaltendes Leseerlebnis, zumal Brooks nach wie vor einen sehr lebhaften Erzählstil hat, der sehr rasch durch das Geschehen begleitet. Fakt ist aber, dass er sich immer noch sehr interessanten Themen annimmt und Polizeibrutalität, Gangkriminalität, das sind alles Aspekte, die unsere aktuelle Lebenswelt konstant berühren. Insgesamt ist es bei „Bad Castro“ dennoch ein zwiespältiges Gefühl, was bei mir zurückgeblieben ist. In das Geschehen werde wir mit dem ersten Wort reingeworden und zwar wirklich, denn London befindet sich im Ausnahmezustand und wir sind mit Polizistin Judy und dem Jugendlichen Castro mittendrin. Es ist ein Kniff der Geschichte, dass sich nach und nach einige Puzzleteile zusammensetzen, was ich wegen des Spannungseffekts auch mittrage. Dennoch hat mir am Ende eine Ebene gefehlt. Auch wenn es wahrscheinlich nicht entscheidend war, wie es zu der Eskalation auf den Straßen gekommen ist, weil es oft nur Kleinigkeiten sind, die alles über den Haufen werfen, aber ich habe immer gerne einen vollständigen Überblick, um mich so in einem weiteren Schritt besser in die Figuren hineinversetzen zu können. Aber eigentlich geht es der Geschichte glaube ich weniger um die Gewalteskalation, sondern um die Figur Castro. Bei ihm wird bis zum Ende nicht genau geklärt, wie sein Platz in der Gesellschaft aussieht, aber er ist für sein Alter eine unheimlich weise Persönlichkeit, der sehr reflektiert ist und wirklich einige spannende Fragen stellt. Diese rechtfertigen nichts, aber sie stellen Themen in den Raum, die man eigentlich gar nicht übergehen kann, weil die Welt nicht schwarz-weiß ist, wie sie sonst so gerne gemacht wird. Diese Sichtweise auf Castro ist natürlich nur in dem Rahmen möglich, weil wir die Geschichte aus Judys Perspektive erleben, so bleibt vieles zu Castro im Geheimen, was aber seine Faszination als Persönlichkeit definitiv steigert. Aber auch wenn wir Teil von Judys Perspektive sind, fand ich sie dennoch nicht sonderlich mitreißend. Sie hat uns als Leserschaft nicht wirklich an ihrem Inneren teilhaben lassen, es war bis zum Schluss eine Barriere da, was dann doch überraschend ist, wenn man alles aus ihrer Perspektive erlebt. Zudem wirkt sie von dem eigentlich Geschehen etwas losgelöst. Sie ist zwar mittendrin, aber es wirkt wie Erlebnisse, die eigentlich nicht zu ihrer Lebenswelt gehören. Damit mag sie ein passendes Gegenstück zu Castro sein, was sicherlich gewollt ist, aber dennoch hätte ich mir emotional sehr viel mehr gewünscht. Insgesamt lässt sich „Bad Castro“ gut durchlesen. Die Handlung ist wirklich beängstigend an einigen Stellen, aber ich würde nicht sagen, dass es übertrieben graphisch geworden ist. Aber es beschönigt definitiv auch nichts. Dadurch ist natürlich auch Spannung gegeben, denn man hofft natürlich, dass die beiden überleben. Der Stil der Erzählung sorgt auch immer wieder für kleinere Andeutungen, die man gerne aufgeklärt haben will, das gibt eine gute Mischung ab. Aber es ist sicherlich kein tiefgehender Roman, es ist eine pointierte Momentaufnahme, die nachdenklich macht, aber die alleine schon aufgrund ihrer Länge nicht ewig in Erinnerung bleiben wird. Fazit: „Bad Castro“ ist für mich irgendwo zwischen Roman und Kurzgeschichte angesiedelt, denn das Leseerlebnis wirkte tatsächlich eher flüchtig, was sicherlich auch an einigen Stellen den Eindruck von Oberflächlichkeit vermittelt hat. Dennoch ist es eine intensive Erzählung, die nichts beschönigt und mit Castro eine faszinierende Persönlichkeit in den Fokus nimmt. Ich habe „Bad Castro“ nachdenklich verlassen und doch ist es nicht das Buch, wofür ich Brooks in Zukunft vor allem im Kopf behalten werde.