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katkaesk

Posted on 14.9.2021

Gespenster, das sind: gesammelte Fragmente verlorener Menschen, Glaubenssätze, Songtexte, Gedichtzeilen, Erinnerungen, entledigte Hoffnungen, verdrängte, aber nie vergessene Lieben: Immer die Frage, ob das ein Geist ist oder ob man ihn eventuell trinken kann. Geist heißt hier eine präsente Anwesenheit der Abwesenheit, eine Fülle an Erinnerungen, an gedachte Zweisamkeiten in einer allgegenwärtigen Einsamkeit. Die Fotos sind stiller Begleiter dieser Alleinsamkeit: In blassen Farben gehalten stechen die grellen Thematiken dieses Buches hervor: ein Kennenlernen menschenloser, verlassener Orte. Überall sind leere Fahrzeuge, Geschäfte, Häuser, Züge, Straßen, Seen. Kurzum eine Sammlung von lost places, die ihre Trennung von Menschen und ihre Isolation stolz vor sich hertragen, genauso um ihre Vergessenheit und ihr Verschwinden zu dokumentieren; eine persönliche Ausstellung für zu Hause. Es zollt selbstverständlich Tribut an die unlängst verstorbene Schriftstellerin Elfriede Mayröcker, die mit ihrem Buch “brütt oder die seufzenden Gärten” oder mit “Paloma” Eingang findet – eine literarische Ausnahmekünstlerin, der im ungleichen Ausmaß mehr Anklang bei deutschsprachigen, männlichen Schriftstellern findet als sonst eine Schriftstellerin. Umso erfreulicher, dass nun auch Spuren von Ingeborg Bachmann, Elfriede Gerstl oder Marlen Haushofer zu finden sind. Während das ungewöhnliche Format auffallend und eindrucksvoll adrett und geordnet daherkommt, wird eine innere Ordnung nicht manifest, einige Bilder aus dem zweiten Buch “In einer komplizierten Beziehung mit Österreich”, finden hier erneut Eingang, und lesen sich wie eine Vorahnung auf “Gespenster zählen“: Wir bleiben zurück als Gespenster als Scherenschnitt In einer komplizierten Beziehung mit Österreich Wenn man Peichls Namen im Katalog der Wiener Büchereien sucht, findet man zwangsläufig auf der ersten Seite das Handbuch der Psychotraumatologie; “Gespenster zählen” ist zwingend traumatisch poetisch: es geht ums Anschauungen abfragen in künstlerisch literarischer Pose, es wird mehr gezeigt als gewollt als im Debütroman “Wie man Dinge repariert”. Es ist zeitgleich ein Stück Dorfliteratur genauso wie Erinnerungen an eine Stadt, die es in dieser Form nicht mehr gibt. Das Buch, das diesmal auf Seitenzahlen verzichtet und Ordnung mit einer Bild und nummerierten Textabfolge herstellt, gestaltet sich mit weniger Leserausch als die letzten beiden Bücher, mehr als dokumentarisches Bereuen: Seelen bröckeln und vergeistern, auch eigenen Gedanken sind Gespenster und spuken im Kopf herum. Spürbar wird eine radikale Wehmut, die Liebe häufig mit Schmerz verbindet, und ein melancholischer Unterton, der die Roadtrips durch die Vergangenheit begleitet.

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