lesezauber_zeilenreise
Spätes Comingout nach einem Leben voller Verstecken und Einsamkeit – wunderschön, berührend, humorvoll Albert lebt in schon immer in seinem Elternhaus. Dort wuchs er auf, hatte eine schöne Kindheit, aber eine schwere Jugend. Dort hat er seine Mutter, die kein gutes Haar an ihm lies, bis zu ihrem Tod gepflegt. Und dort lebt er nun mit Gracie, seiner über alles geliebten Katze, die nun schon seit 18 Jahren an seiner Seite ist. Er liebt seinen Beruf als Postbote, auch wenn er den Kontakt zu Menschen, egal welchen, meidet. Als Gracie stirbt und ihm auch noch eröffnet wird, dass er zu seinem 65. Geburtstag, also in wenigen Monaten, in Pension gehen muss, sieht er es plötzlich ganz klar vor Augen: wenn er nicht einsam sterben möchte, muss er etwas unternehmen. Seine Ängste überwindend knüpft er Kontakte und – der größte Schritt für ihn überhaupt – outet sich! Er benötigt Hilfe bei der Suche nach George, seiner großen Jugendliebe von vor 50 Jahren. Albert hat mit vielem gerechnet, zumal in seiner Jugend Homosexualität strafbar und geächtet war und vor allem seine Eltern damit überhaupt nicht klarkamen. Doch mit der Welle an Zuneigung, Hilfsbereitschaft und Akzeptanz nun gar nicht. Wenn er jetzt nur noch George findet und der ihm das, was in der Vergangenheit geschehen ist, verzeiht. WUNDERVOLL! Ein Buch so voller Wärme, Liebe, Freude, Traurigkeit, Humor. Albert schließt man sofort ins Herz, sein von tiefer Liebe (und großer Einsamkeit) geprägter Umgang mit Gracie, seine leise, zurückhaltende Art, sein durch und durch liebenswertes Wesen und dann sein so mutiges Comingout, mit dem er alle seine jahrzehntelang bestehenden Ängste überwindet. Als Leser erfährt man über bittersüße Rückblicke viel von Albert und Georges Vergangenheit, ihre zarte Liebesgeschichte, die so ein böses Ende nahm. Und über den damals herrschenden Hass auf gleichgeschlechtliche Liebe. Mitzuerleben, was Albert und George erlebten, tut weh. Mitzuerleben, wie Albert mit fast 65 Jahren dann aber den großen Schritt wagt in ein neues Leben, ist herzerwärmend. Sämtliche Figuren sind so liebenswert, so skurril, so normal, so wundervoll. Die Story macht keine Umwege, sondern landet direkt im Herzen. Hier passt vom fesselnden Schreibstil über die detaillierten Charaktere und die berührende, humorvolle, warmherzige Story bis hin zum Setting und dem passenden Cover einfach alles. Oft möchte ich einfach in das Buch schlüpfen und Albert umarmen – oder ihm auch mal einen Schubs geben. Ein großartiges Buch über Liebe und Freundschaft, über das Überwinden von Ängsten und Vorurteilen, über Einsamkeit aus dem Gefühl heraus, nicht normal zu sein und darüber, dass es nie zu spät ist, etwas zu ändern. Es zeigt auf, dass jeder irgendwie sein Päckchen zu tragen und mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Das manche Verhaltensweisen oder Eigenschaften einfach nur ein Mantel ist, mit dem sich andere schützen – und es sich lohnt, darunter zu gucken. Warmherzig, lebensbejahend, wundervoll!