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gwyn

Posted on 11.9.2021

Der Anfang: «Wohlig kringelten sich Dunstschleier über der Küste, wie ein sclafendes Kätzchen. Die Strahlen der Morgensonne glitzerten auf den Wellen, und die Wattewölkchen tanzten lustig hüpfend über den Spätsommerhimmel. In der Luft lag ein Geruch nach Veränderung.» Untu ist ein Wald-Männchen, so etwas wie ein Zwerg, der in seinem Leben schon viele Abenteuer auf See erlebt hat. Eines Tages findet er eine Postkarte, auf der von einem ganz besonderen, geheimnisvollen Licht die Rede ist. So bricht Untu auf, um das Licht zu finden und den Alten der Weihnacht. Unterwegs trifft er Tiere und Fabelwesen, gewinnt ihre Freundschaft und er erhält Hilfe und so manchen Rat. Wird er das große Geheimnis lüften können? Ein Herbst-Wintermärchen (kein Weihnachtsmärchen), literarisch wunderschön; ein nordisches Märchen über Freundschaft und Natur und Brauchtum des Nordens, nordische Fabelwesen. «Was, wenn mein Dach einstürzt, wenn ich in der Hütte bin, und ich zur Größe eines Mäuseköttels zusammengepresst werde? Würde ich dann, zerquetscht und platt, vielleicht denken, was hatte ich doch für ein schönes, aufregendes Leben?» Nora und Pirkko-Liisa Surojegin erzählen kraftvoll im Nature Writing, bildhaft, in poetisch-literarischer Sprache. Die einzelnen Geschichten sind abgeschlossen, denn Untu trifft zwar auf Feen, Waldgeister, Wunnen, Waldmuppel und Däummerlinge, Dachs, Fuchs, Bär, und Wölfe, erlebt ihre Gastfreundschaft, doch am Ende des Kapitels zieht er allein weiter, um das Licht zu finden. Pirkko-Liisa Surojegin zeichnet mit zarten Tönen Wald und Wiesen, erfüllt von aufsteigendem Herbstnebel bis hin zu satten Farben, in denen das Licht eine Rolle spielt, liebevoll detailliert mit feinem Strich. Warme rotgelbe Töne zu Beginn der Geschichte, die Herbstlandschaft und später die eisigen Winterfarben die vom fröstelnden Text begleitet werden. Beschreibung der Natur, der Wandel der Jahreszeiten mit allen Sinnen, einschließlich dem Auge. «Die Sonne stand schon tief am Himmel, der Wald war in goldenes Licht getaucht, und die Feen schimmerten auf ihren Zweigen wie glitzernde Edelsteine. Die Bäume säuselten eine friedliche Melodie. ... Von den Spitzen der Grashalme glitten stetig Tautropfen auf den Boden. Die Hülsen der Walderbsen läuteten wie kleine Glocken.» Am Ende der Geschichte erfahren wir, wie die nordische Weihnacht aussieht – es ist schlicht das Mittwinter. Untu erlebt die Lichtgoldenen Streifen am Horizont, die den Frühling einleuten, die Nordlichter. Ein fein geschriebenes Märchen, literarisch, ruhig und gelassen, wortgewaltig mit wundervollen Naturbeschreibungen. Eine nordische Geschichte für Herbst und Wintertage. Eine literarische Sprache – die Kinder müssen eintauchen in diese Welt, in diese Sprache, hineinwachsen in die Literatur. Und das ist auch hier gelungen. Ein anspruchsvolles Kinderbuch mit liebevoller Grafik der nordischen Fabelwesen! Der Urachhaus Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 8 Jahren. Das ist auf Grund der Komplexität der Sprache angemessen; aber ich denke, das Buch kann man ab 6 Jahren vorlesen, wenn das Kind über Geduld verfügt und guten sprachlichen Ausdruck gewohnt ist. Kompromiss: Ab 7 Jahren. Das Buch eignet sich für mich besonders gut als Vorlesebuch. Mit geschlossenen Augen zuhören, fühlen, sehen, hören, riechen – und dann die Bilder anschauen. Viel Spaß! Pirkko-Liisa Surojegin, geboren 1950 in Kuopio, Finnland, studierte Grafikdesign an der Kunst- und Designuniversität Helsinki ist seit 1981 freiberufliche Illustratorin und Autorin. Für ihre stimmungsvollen, fein ausgearbeiteten Bilder, in Lehrbüchern, Bilder- und Märchenbüchern sowie dem Nationalepos ›Kalevala‹, ist sie in Finnland so berühmt wie beliebt.

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