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gwyn

Posted on 11.9.2021

Der Anfang: «Diese Geschichte hat viele Anfänge. Sie beginnt mit einer Karte, die nicht stillsteht, mit einem Schiff, das die See nicht berührt, und mit einer Rüstung aus Silberschuppen. Sie beginnt mit zwei Puppen aus Holz, einer nachtschwarzen Feder und einem Vogel in den Knochen. Sie beginnt mit zwei Hexen und einem Mann ohne Farben. Sie beginnt mit einer Lüge. Sie beginnt in dem grauen, dem blauen, dem silbernen, dem teerschwarzen Meer. Sie beginnt mit den Kaltwochen, mit den Fischern, die dem Meer nicht trauen, und den verschwundenen Kindern Colms. Vor allem aber beginnt sie mit einem Mädchen.» Ein Jugendroman, ein literarisches, bildgewaltiges Nordic-Fantasy-Epos und dies ist der erste Teil der Trilogie. Edda und ihr Bruder Tobin leben in dem kleinen Dorf Colm. Sie sind Außenseiter, adoptierte Kinder, wer ihre Eltern sind, wissen sie nicht. Der zarte Tobin hat es besonders schwer, er wird von den Jungen im Dorf täglich traktiert. Edda versucht, ihn zu beschützen, was ihr zu ihrem Leidwesen nicht immer gelingt. Colm liegt an der Silbersee, einem unheimlichen Meer, das gefährliche Bewohner beheimatet. Das Leben ist hart, die Dörfler leben vom Fischfang und von der Herstellung von Colmin, das sie aus den Häuten der Colminfische gewinnen – ein bestgehütetes Geheimnis. Der Apotheker stellt daraus Arzneien her, die verkauft werden. Nie kämen die Familien darauf, die Fische zu essen, die ihrem Lebensunterhalt dienen. Tagein, tagaus gibt es Reisbrei zu essen. Wer es schafft, zieht ein wenig Gemüse im Garten, doch der Boden ist karg. Tobin hasst dieses Dorf, er will auch nicht Fischer werden, denn das wird von ihm später verlangt werden. Edda hat sich ihrem Schicksal ergeben. Sie kann nicht lesen, und schreiben, in Colm müssen bereits die Kinder arbeiten, bei der schweren Arbeit der Colminherstellung helfen, Fischhäute stampfen. «Die Trauer ließ einen genau das sagen, was man schon immer hatte sagen wollen. Sie nahm einem die Angst vor jeder Wahrheit. ‹Es tut mir leid um jedes Jahr in Colm›, fuhr sie fort. ‹Es tut mir leid um jedes Jahr, in dem Tobin Angst haben musste und in dem ich Angst um Tobin hatte. Ich wünschte, wir wären nie hierhergekommen.» Eines Tages taucht der Händler Brand auf, eine zwielichtige Gestalt. Das Gesetz sagt, die Dörfler müssen ihm Obdach und Essen geben. Aber was will dieser Mann? Weder hat er etwas zu verkaufen, noch will er etwas kaufen. Hin und wieder verschwinden in Colm in der Nacht Kinder. Man sagt, die holt der König der Krähen, nimmt sie mit in sein Reich. Und eines Nachts ist Tobin verschwunden – neben seinem Bett findet Edda eine schwarze Feder. Sie nimmt sich vor, ihren Bruder zu suchen. Nur wie? Da bietet ihr Brand an, sie mit dem Boot mitzunehmen. Sie nimmt ihren Mut zusammen, geht zur Brigorhexe, sich Rat zu holen, die ihr erklärt, dass Tobin sich auf einer Insel befindet, die sie nur mit der fließenden Karte finden kann. Ihre Schwester, auch eine Brigorhexe, die auf einer Insel wohnt, kann Edda sagen, wo sich die Karte befindet. «Die Möwe war zurückgekehrt, hatte sich wieder auf der Mauer niedergelassen. Mit einem Ruck stieß Edda das Gatter auf und trat hindurch. Im selben Moment sah sie Brand. Er lehnte an dem einzigen Baum, der je auf dem Friedhof gewachsen war, einer Schwarz-Eiche, vor der Teofin und Edda sich bereits seit Kindertagen fürchteten. Der Baum schien eine sonderbar geduckte Haltung einzunehmen, beinahe als würde er kauern, seine wahre Größe lieber für sich behalten wollen. Niemand hatte je gesehen, dass sich ein Vogel auf seinen Ästen niederließ.» Brand klaut ein Boot und die Fahrt ins Abenteuer beginnt. Von der anderen Brigorhexe erfährt Edda, wer die Karte zuletzt im Besitz hatte. Sie muss nach Arkoban in den Süden, was auch das Ziel von Brand ist, vor dem die Hexe sie aber warnt. Unterwegs werden sie von einem Unwetter überrascht, von ziemlich üblen Burschen gekapert, den Harpen, landen in einem Verließ, aus dem sie fliehen können. Von Arkoban ist Edda überwältigt. Eine riesengroße Stadt voller Leben; es ist heiß und überall gibt es die seltsamsten Dinge zu sehen, wundervoll duftendes Essen im Überfluss. Edda muss Feinden entkommen und Freunde finden. Sie schließt einen gefährlichen Deal, wird übervorteilt, kann aber auch austeilen; sie lernt die Carpaunen kennen, das Teermeer und die Alte Sprache, weiß, was ein Schmachter ist. Es gibt eine Menge Abenteuer zu bestehen. Am Ende ist Edda der fließenden Karte immer noch nicht nähergekommen ... aber es ist ja auch eine Trilogie. «Viel kann ich dir über die Alte Sprache nicht erzählen›, begann er zögernd. ... Soweit ich weiß, nahm sie ihren Ursprung in einem Land namens Inkengard, das einst aus der Welt verschwand. Damals sickerten all die Alten Worte in die Silbersee und färbten den nördlichsten Teil schwarz. ... Dies geschah vor vielen Hundert Jahren, und die Geschöpfe, die seitdem dort leben – unter anderem die Carpaunen –, kommen inzwischen bereits mit dem Wissen um die Alten Worte in die Welt. ... Die meisten schlechten Dinge im Inselreich haben ihren Ursprung in der Alten Sprache genommen: Altsprech, Schmachter, die Brigorhexe.« ... Altsprech frisst sich in den Körper, in den Verstand.» Katharina Hartwell hat hier ein spannendes Fantasyepos geschaffen. Ein Buch voller wundersamer Welten, fein beschrieben und ein Abenteuer folgt dem Nächsten. Die naive Edda aus dem Dorf entwickelt sich langsam, denn dumm ist sie nicht. Sie muss lernen, dass es nicht nur gute Menschen gibt, sogar gefährliche Wesen – und andere, die angeblich gefahrvoll sein sollen, doch letztendlich nette Gestalten sind. Sie muss lernen, sich mit Nichts durchzuschlagen, Vertrauen zu haben – aber Misstrauen walten zu lassen. Sie muss ihre Angst überwinden, um an ihr Ziel zu kommen. Die Autorin hat eine Menge Anker gesetzt und ich bin gespannt, wen wir in den nächsten zwei Bänden wieder zu Gesicht bekommen, wie andere Anker sich entwickeln. Ein Buch, das langsam anzieht und nach einem Drittel voll vor Spannung den Lesenden nicht loslässt. Katharina Hartwell beschreibt die Welten so, dass sie mit allen Sinnen direkt vor den Augen stehen. In ruhigen Momenten lässt sie sich Zeit für die verschiedenen Lebensbereiche und für ihre Figuren, die sie liebevoll aufbaut. Ein spannendes Leseerlebnis. Der Loewe Verlag schlägt das Lesealter ab 14 Jahren vor. Für mich geht das in Ordnung: ab 14 Jahren – Allage. «Wer aufbricht und weit reist, der wandelt sich, es bleibt nicht aus. Dir wird es nicht anders gehen, Edda Valt. Der Wandel, der sich in deinem Inneren vollzieht, wird größer sein als alles, was mit deinem Äußeren geschieht. Eines Morgens wirst du aufwachen und dich selbst nicht wiedererkennen.» Schon als kleines Mädchen schrieb Katharina Hartwell Märchen, später Geister- und Abenteuergeschichten. Als Studentin besuchte sie Schreibwerkstätten, nahm an Wettbewerben teil. Erst an regionalen, schließlich bundesweit. Sie stand im Finale des Literaturwettbewerbes open mike und gewann den überregional beachteten MDR-Kurzgeschichtenpreis. 2013 war sie Sylter Inselschreiberin. Ihr Debüt Das fremde Meer erschien 2013 im Berlin Verlag und wurde mit dem Seraph ausgezeichnet. Und dieses Buch ist nominiert für den SERAPH 2021 - Bester Roman!

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