Buchhandlung Lehmkuhl oHG
Michael Lemling empfiehlt: Der neue Roman des belarussischen Autors Viktor Martinowitsch ist für mich einer der herausragenden belletristischen Titel des Jahres. Eine atemlose Roadnovel durch das Moskau der Nullerjahre, changierend zwischen Pulp Fiction und Bulgakows Meister und Margarita. Im Mittelpunkt steht Michail Alexejewitsch German, dessen Lebensbeichte wir hier lesen. Er schildert seinen Aufstieg vom Universitätsdozenten für Architektursemiotik zum Paten eines Russland regierenden Geheimbundes. „Ich werde euch von der Macht erzählen, die Euch längst in Fleisch und Blut übergegangen ist, die euch aus euren Reflexen heraus regiert. Von der Macht, die der Code hinter unserer Welt ist, die hinter jedem einzelnen Schritt steht, vom Krieg bis zu eurem Gang zum Geldautomaten.“ Martinowitsch erzählt von Macht und Herrschaft jenseits der Vorstellungen, die wir üblicherweise davon haben. Hier werden Nietzsche und Foucault auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Nicht der Wille zur Macht ist entscheidend, sondern der Wille zur Unterordnung. Martinowitsch ist ein großer Roman über die Natur des Menschen gelungen. Die belarussische Ausgabe der „Revolution“ wurde kurz nach Erscheinen im Januar 2021 beschlagnahmt, der Verleger inhaftiert und die Verlagskonten gesperrt. Viktor Martinowitsch lebt trotz der Bedrohung, der er ausgesetzt ist, weiterhin in Minsk. Zur Situation in Belarus schreibt er: „Das einzig verlässliche Gegengewicht zum Bösen ist die Verantwortung.“ Sein persönlicher Mut ist so beeindruckend wie sein Werk.