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Bris Buchstoff

Posted on 7.9.2021

In guter Gesellschaft Sich in guter Gesellschaft zu befinden ist wohl für jede*n erstrebenswert. Was daraus werden kann, wenn sich vier Menschen – drei davon nicht ganz zufällig – unter eher dramatischen Umständen zusammen in einer Kneipe wiederfinden, um das gerade Erlebte ein wenig zu verarbeiten und ein Glückskeks das ausdrückt, was sich den Abend über schon in den Köpfen der Anwesenden breit gemacht hatte, zeigt Cynthia D’Apris Sweeney in ihrem zweiten Roman, der im Original den Titel „Good Company“ trägt. Im Deutschen eine Entsprechung dafür zu finden ist nicht leicht, vor allem, weil die Anspielung des Titels auf das Ereignis, das diese vier Menschen zusammenbringt, der künftigen Unternehmung des einen der vier enen Namen gibt und noch dazu zwischen den Zeilen transportiert, dass es hier um lange währende Begleitung durch alle möglichen Lebenslagen geht, kaum fassbar ist. Der deutsche Titel „Unter Freunden“ ist somit, hat man das Buch gelesen, ein wenig schwächer in Bezug auf die Mehrdeutigkeit des Originaltitels, spricht aber das Hauptthema eindeutig an: Freundschaft, Vertrauen, Verrat und Vergebung. Denn all das muss eine Freundschaft aushalten können, will sie beständig sein. „Unter Freunden“ erzählt uns vor allem von Flora. Von Flora und ihrer Beziehung zu Julian, von Flora und ihrer besten Freundin Margot, von dem Geflecht, das die beiden miteinander verbindet und um sie herum auch andere Menschen einschließt. Davon, ob der Betrug des eigenen Mannes schwerer wiegt, als das Schweigen der besten Freundin. Eine vermeintlich einfache, oft schon erzählte Geschichte, der D’Aprix Sweeney jedoch einen warmen, witzigen und ehrlichen Ton verleiht und deren Tiefe aus den Perspektivwechseln entsteht. Für Flora und Julian wird ein neuer Lebensabschnitt beginnen: Ihre Tochter Ruby wird das Elternhaus verlassen und studieren. Auf der Suche nach einem alten Bild, das Ruby gemeinsam mit ihren Eltern und deren langjährigen Freunden Margot und David zeigt, findet Flora jedoch noch etwas, was ihre Zukunft völlig durcheinanderwirbeln und auf den Kopf stellen wird. In einer der entlegensten Schubladen eines alten Schranks in der Garage liegt er. Der lange verloren geglaubte Ehering Julians. Es ist nicht so, dass die Beziehung zwischen Flora und Julian immer nur eitel Sonnenschein gewesen wäre. Während Flora aus einer zwar dem katholischen Glauben, weil ursprünglich aus Italien stammenden, aber sehr liebevollen Familie stammt, hat Julian schwer mit den Geschehnissen in seiner Kindheit und Jugend zu kämpfen. Augenscheinlich ist er ein Frauentyp und als er Flora über die gemeinsame Freundin Margot kennenlernt, wird er von ihrem zwar eher zurückhaltenden aber zugewandten Wesen angezogen. Flora ist anfänglich ob seiner Zuneigung verunsichert, kann sie nicht glauben, dass der strahlende Julian, sie, die unter den Freunden und Komillitonen nicht so talentierte Schauspielerin zum Beispiel ihrer glamourösen Freundin Margot vorzieht. Alle drei, Julian, Margot und Flora, möchten mit der Schauspielerei ihr Geld verdienen. Julian geht in der Welt des Theaters auf. Während einer der kultigen Aufführungen von „Shakespeare im Park„ kommt es zu einem dramatischen Vorfall, der das Dreiergestirn zu einem Kleeblatt werden lässt. Während Margot und David kinderlos bleiben, werden Flora und Julian zu einem Paar mit Kind. Flora übernimmt die Aufgabe, sich vor allem um Ruby zu kümmern gerne. Tatsächlich findet sie sich in ihrer Karriere als erfolgreiche Synchronsprecherin für eine Kinderserie sehr viel besser wieder, als auf der Bühne. Auch wenn es in den Anfangszeiten ihrer Beziehung zu Julian schon ein, zwei Trennungen wegen seiner Untreue gab, so ist sich Flora sicher, dass er ihr danach immer treu gewesen ist. Der Fund des Rings allerdings stürzt sie in tiefe Zweifel und lässt sie, ob der Tatsache, dass Ruby das Elternhaus nach den Ferien endgültig verlassen wird, vieles überdenken, in Frage stellen und neu bewerten. Parallel zu Floras Neubewertung ihres Lebens, wird auch die erfolgreiche Seriendarstellerin Margot gezwungen, sich damit zu befassen, wie es für sie beruflich und privat weitergehen soll. David, der nach einer Erkrankung seine mehr als erfolgreiche Karriere als Herzchirurg weiterverfolgen kann, sich aber mittlerweile mit seinen neuen Aufgaben wieder gut freigestrampelt hat, liebt sie nach wie vor. In dieser Ehe gibt es keinen Verrat, kleinere Geheimnisse, wie in jeder Beziehung wohl schon, aber nach der überstandenen Krankheit Davids, deren Dramatik mit den ganzen daraus entstandenen Konsequenzen auch durchaus für ein Leben reicht, ist in das Leben der beiden Ruhe eingekehrt. Eine Ruhe, von der Margot nicht genau weiß, ob sie sie möchte. Als sie auch noch aus der erfolgreichen Krankenhausserie, in der sie eine tragende Rolle spielt, herausgeschrieben wird, wird ihr schmerzlich bewusst, wie sehr ihr Flora fehlt, die den Kontakt zunächst abgebrochen hat. Ein kleiner Ring, dessen Auftauchen ein heilloses Durcheinander anstellt. Nicht so weltvernichtend natürlich wie in der großartigen Fantasy-Erzählung von Tolkien, aber mit durchaus weitreichenden Folgen. Denn die Frage, die sich stellt, ist ja nicht nur, ob das was passiert ist, die Zukunft beeinflussen wird, sondern auch, wie wahr und authentisch das Leben, das man ohne das Wissen um Verrat und Lüge gelebt hat, überhaupt sein konnte. D’Aprix Sweeney siedelt ihre Geschichte um Freundschaft und Vertrauen im Schauspielermilieu an. Eine Welt, in der nur die Erfolgreichen gesehen werden, die auch von Oberflächlichkeiten bestimmt wird. Die Menschen, die sie in dieser Welt zeigt, sind alles andere, als oberflächlich. Ihre Verbindungen sind ebenso tief, wie die anderer Menschen. Sie erzählt die Geschichte der Neuorientierung nuanciert, nachvollziehbar, mit Wärme. Die verschiedenen Perspektiven, die sie den Leser*innen auf die Personen und Vorkommnisse erlaubt, wird die Geschichte nie flach oder eindimensional. Ihre Figuren schildert sie vielschichtig. Und obwohl das Ende ein versöhnliches ist, zeigt es doch auch, dass nichts beim Alten bleiben kann. Mich hat „Unter Freunden“ aus einer kleinen Leseflaute herausgeholt und das alleine ist schon eine große Empfehlung wert, auch wenn vielen Leser*innen, die im Gegensatz zu mir, ihr Erstling „Das Nest“ besser gefallen hat.

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